Hallo zusammen,
folgendes Problem:
Eine Wertpapierabrechnung (Aktien-Übertrag an Dritte aus sonstigen Gründen) wurde mit fehlendem Kurs abgewickelt, obwohl SIX (Schweitz) liquide Kurse bietet. (CH0006089921 - Private Equity Holding AG) Die auf Consorsbank hinterlegte Standardbörse "Berlin" hat dagegen keinen Kurs (mehr). In der Folge wurden trotz Verlusten auf der Positiion Steuern für den fiktiven Gewinn fällig. (§43a Abs. 2; Ersatzsbemessungsgrundlage, 30% des Anschaffungswertes).
Das ist sehr natürlich sehr ärgerlich, da ein liquider Kurs existiert. Ich habe natürlich wenig Lust, mehr als ein Jahr auf die nächste Steuerrückerstattung zu warten, wenn das automatische Buchungssystem hier die falsche Börse zieht.
Frage:
Wie bringe ich die Consorsbank dazu, die Abrechnung zu korrigieren? Ein Kurs existiert ja?
Eine erste Kontaktaufnahme über den Chat ist trotz versprochener Antwort-Mail nach 2 Tagen anscheindend im Sande verlaufen. 😞
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Hallo @ManiaK,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich kann verstehen, dass die beschriebene Situation Fragen aufwirft. Da wir hier in der Community aber leider keinen Zugriff auf Kundendaten haben, bitte ich Sie, sich telefonisch an die Kundenbetreuung zu wenden, um den Sachverhalt zeitnah zu klären. Die Kollegen sind unter der 0911 / 369-30 00 zu folgenden Zeiten: Mo – So: 7:30 – 22:00 Uhr.
Vielen Dank und viele Grüße
CB_Evelin
Community-Moderatorin
@ManiaK :
Du setzt meiner Meinung nach gedanklich an der falschen Stelle an.
Die Ersatzbemessungsgrundlage von 30% kommt zum Tragen, wenn dem abgebenden Kreditinstitut für das Wertpapier (aus welchem Grund auch immer; meistens beruht der Fehler darauf, dass bei einem früheren Depotübertrag Anschaffungsdatum und/oder Einstandskurse nicht mit übertragen wurden) kein Einstandskurs vorliegt und infolgedessen nicht die übliche Gewinnermittlung nach Differenzmethode (Veräußerungserlös ./. Anschaffungskosten) durchgeführt werden kann.
Der maßgebliche Satz in § 43a Absatz 2 EStG lautet:
7) Sind die Anschaffungsdaten nicht nachgewiesen, bemisst sich der Steuerabzug nach 30 Prozent der Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung der Wirtschaftsgüter.
Korrigieren kannst Du das nur höchstselbst in Deiner Steuererklärung, indem Du in der Anlage KAP eine entsprechende Berichtigung durch Nachweis der tatsächlichen Anschaffungskosten vornimmst.
Ja, (freundliches) Nachhaken hat geholfen. Anscheinend können Anfragen auch mal mehrere Tage dauern.
Falls jemand Interesse an Schweizer Aktien hat, hier die Antwort vom Kundenservice:
"Der Schweizer Bundesrat hat den Handel von Schweizer Aktien an Börsen oder börsenähnlichen Ausführungsplätzen in der Europäischen Union ab dem 01.07.2019 untersagt. Damit fehlt es an dem erforderlichen Kurs in einem regulierten Markt und es liegt kein Veräußerungswert (EBK) vor. Die Schweiz ist nicht mehr als börsenäquivalent zur EU anerkannt.
In der Folge des fehlenden Börsenkurses sind wir zur Pauschalbesteuerung auf der Grundlage der Anschaffungskosten als Ersatzbemessungsgrundlage verpflichtet."
Die Antwort der Consorsbank empfinde ich persönlich als sehr unbefriedigend.
Die Bank macht es sich leicht, arbeitet für das Finanzamt und nicht im Kundeninteresse!
Da die Aktie in der Schweiz gehandelt wird, läßt sich doch relativ simpel eine plausible Bewertung der Aktie feststellen. Zumal L&S doch eigentlich auch Kurse für schweizer Aktien in € stellt. Wie liegt der Sachverhalt eigentlich, wenn die Aktie mit Lagerstelle Schweiz gelagert wäre und nur über die Schweizer Börse gehandelt werden könnte?
Entspricht die Vorgehensweise der Consorsbank einer abstrusen BMF-Durchführungsverordnung oder ist dies vorauseilender Gehorsam der Bank?
Und dann aber noch die wichtigere Frage: Mit welchem Kurswert wurde die Aktie im neuen Depot eingebucht? Mit dem 30%-Aufschlag? Oder ohne Kurs? Oder dem originalen Kurswert? Und was passiert dann bei einer Weiterveräußerung? Nochmal 30% drauf?
Vielen Dank für die Informationen darüber, wie die Consorsbank mit schweizer Aktien und ihren Kunden umgeht.
Auch wenn es nicht schmeckt: "Luise", und die muss es ja wissen, hat sich den § 43a Absatz 2 EStG samt seiner mindestens 8 Köstlichkeiten angesehen und kommt zu folgendem Ergebnis:
Die Wertpapierabrechnung ist korrekt.
9 Zur Ermittlung des Börsenpreises ist der niedrigste am Vortag der Übertragung im regulierten Markt notierte Kurs anzusetzen; liegt am Vortag eine Notierung nicht vor, so werden die Wirtschaftsgüter mit dem letzten innerhalb von 30 Tagen vor dem Übertragungstag im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt; Entsprechendes gilt für Wertpapiere, die im Inland in den Freiverkehr einbezogen sind oder in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne des Artikels 1 Nummer 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABl. EG Nr. L 141 S. 27) zugelassen sind.
Lt. Luise: Für die PEH gibt es keine an einem regulierten Markt entstandene Kursnotierung; Notierungen im inländischen Freiverkehr (L&S etc.) oder an der SIX (CH ist nicht Mitglied des EWR) sind irrelevant; der Hinweis auf die Börsenäquivalenz CH/EU wäre gar nicht nötig.
10 Liegt ein Börsenpreis nicht vor, bemisst sich die Steuer nach 30 Prozent der Anschaffungskosten.
11 Die übernehmende auszahlende Stelle hat als Anschaffungskosten den von der abgebenden Stelle angesetzten Börsenpreis anzusetzen und die bei der Übertragung als Einnahmen aus der Veräußerung angesetzten Stückzinsen nach Absatz 3 zu berücksichtigen. (= die Antwort auf die "noch wichtigere Frage" von @Max_Blau )
Was kann der geneigte Steuerzahler als Erkenntnis aus @ManiaK 's Fall mitnehmen?
- Bei WP-Veräußerung durch Depotübertrag kommen u. U. andere Bewertungskriterien zum Tragen, als er sie beim schlichten Verkauf (Differenzmethode) gewohnt ist.
- Die Depotbank tut im besten Interesse des Kunden nur, wozu sie als verlängerter Arm des Finanzamts seit Einführung der Abgeltungsteuer gesetzlich verpflichtet ist.
Danke an @stocksour und "Luise" für die ausführliche und sachliche Antwort! Auch wenn ich nicht ahne, was es mit "Luise" auf sich hat...
Vermutlich ist der Gesetzestext älter als die Aufkündigung der schweizer Börsenäquivalenz vom 01.07.2019 und an solch einen Fall hat beim Gesetzeschreiben keiner gedacht. Erst recht nicht ein (Ex-)Finanzminister Scholz, der ja mit Aktien nichts am Hut hat...
Aber Moment, "Louise" - Satz 9 erwähnt explizit den Freiverkehr für den Fall, daß eine Aktie nicht im regulierten Markt ist. Zählen L&S Tradecenter und Baader Bank OTC - die beiden stellen täglich Kurse auch für schweizer Aktien - nun zum Freiverkehr? Aus BörsG §48 Freiverkehr werde ich nicht schlau. Systematische Internalisierer sind dort erwähnt - und das sind die beiden oben genannten...
Bleibt für mich immer noch die Frage an @ManiaK , welche Anschaffungskosten tatsächlich an den neuen Broker übermittelt wurden? Nach meiner Interpretation und einem angenommenen Verkaufswert mit einem versteuerten Gewinn von 30% müßten als neue Anschaffungsdaten ja 130% der originalen Anschaffungskosten übertragen worden sein. Hat das wirklich so geklappt? Und bei der nächsten Übertragung gibt's dann wieder 30% drauf....
Zu den Learnings:
Die Differenzmethode sollte in beiden Fällen gelten, nur beim Verkauf bekomme ich normalerweise einen marktgerechten Kurs, beim Übertrag auch mal einen Phantasiewert.
Die Bank als verlängerter Arm des Finanzamts - der Spruch gefällt mir. Und vor dem Finanzamt hat die Bank mehr Angst als vor dem kleinen Kunden. Der sollte aber nur einmal auf sowas draufreinfallen...
Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten für's Teilen der Erkenntnisse und den Hinweis auf die Fallstricke, die es so gibt.
Ich hab doch auch noch schweizer Aktien im Depot...
Hallo, @Max_Blau ,
nur weil Du fragst:
"Luise" hat sich vor ca. 2 Jahren u. a. hier eingeschlichen und steht seitdem spleenig bei @onra und mir mit dem geflügelten Wort ihres Gemahls "Ach, Luise, laß… das ist ein zu weites Feld". als "Proxy" für unplausibel erscheinende Steuerregeln.
Hier in gebotener Kürze minimaler literarischer Hintergrund dazu.
Zu den Learnings:
Wenn ich, zuletzt 2021, CH-Aktien verkauft habe, wurde immer nach Differenzmethode verfahren.
Zu "systematischen Internalisierern" wie L&S, Baader und sonstige OTC-Marketmaker etc.:
(...) "Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das regelmäßig und in organisierter und systematischer Weise Handel für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen treibt."(...)
Ich glaube, das ist heute der sog. "Spezialistenhandel".