Hallo, liebes Forum,
Ich kürze das Ganze mal auf das Wesentliche: ich möchte für eine ESt-Erklärung Verluste aus einer Aktie in 2015 geltend machen. Das Ganze ist sehr spät, ich weiß. Dass man die nur mit Gewinnen verrechnen kann, weiß ich auch.
Jedenfalls habe ich leider erst am Jahresanfang festgestellt, dass der Verkaufsnachweis (damals DAB) statt den ca. 4000€ Verlust (das ist natürlich der Pennywert, der noch übrig war) bei 0€ war. 0€ ist, wenn man den Restwert mit den Transaktionskosten gegenrechnet. Das ist ja OK.
Nur was ich völlig unverständlich finde ist, dass ich nun, wegen 0€, meinen Verlust nicht realisieren kann. Folgender Text dazu: "Es liegt gemäß Randziffer 59 des BMF-Schreibens vom 09.12.2014 keine Veräußerung nach § 20 Abs. 2 EStG vor,
da der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt."
Die consors-Beraterin bestätigte mir, nachdem sie das selbst erst bei einem Kollegen bestätigen lassen musste, dass dies tatsächlich so gemeint ist.
Das heißt doch theoretisch: Verliert man bei Aktienkäufen 20 Mio €, kann man diese bei einer Steuerklärung nur dann als Verlust realisieren, wenn der Restwert abzüglich aller Ordergebühren (das waren rein zufällig ca. 12€) höher als 0€. 1 Cent hätte hier genügt.
Ich bin da total fassungslos. Was hat sich der Gesetzgeber denn dabei gedacht? Ich kann doch einen tatsächlich angefallenen Verlust nicht mit dem aktuellen Restwert gegenrechnen, und wenn zufällig nichts mehr übrig ist (schlimm genug), sagen, ja Pech,
du hattest ja doch gar keinen Verlust?
Kennt sich hier zufällig einer mit den Hintergründen dieses Gesetzes aus, warum wurde das eingeführt, und wurde dagegen schon mal prozessiert bzw. gibt es Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren?
Vielen Dank im voraus und schönen Abend.
Hallo, @Istvan,
genau das meinte ich mit: "das kann dauern" ...
Bei bürokratischen Abläufen dieser Art und unter Beteiligung von 16 Länderfinanzministerien/-senaten UND dem Bundesfinanzministerium misst man die Zeit nicht in Monden.
Hallo Istvan, da ich dies Jahr endlich mal Gewinne gegenrechnen lassen kann, ist das Thema für meine ESt 2020 relevant 🙂 .
Das hier ist doch super:
>>Inzwischen hat der BFH das finale Urteil gesprochen und die Verrechnung erlaubt (Urteile vom 12.6.2018, VIII R 32/16) Hier ging es aber über die nachträgliche Verrechnung mittels Einkommensteuerererklärung. Womit sich das Urteil gegen die aufgestellt Regel aus dem BMF Schreiben stellt.
Was meinst du hiermit denn:
>>Leider hat die Consorsbank ihre angewandte Praxis nicht geändert (mir wurde erklärt das BFH Urteil ist rechtlich nicht bindend für die Bank!?!)
Ich dachte, das Geld bekommen wir vom Finanzamt, und nicht von der consorsbank zurück?
Vielen Dank!
Hallo aigredouce,
ja, das Geld bekommt man nachträglich vom Finanzamt, wenn alles anerkannt wird und nicht von der Bank. Meine Aussage bezog sich auf das Jahr in dem der Verlust angefallen ist, das BFH Urteil noch nicht in eine Anweisung umgestetzt war und damit aber für Banken trotz rechtskärtigem Urteil keinen Spielraum für eine Handlung bietet die Verluste direkte auszuweisen oder zu verrechnen mit gewinnen.
Viel Bürokratie, muss man nicht verstehen, oder doch wenn man es dem Finanzamt erklären muss...
Hallo @Istvan und Forum, OK danke für die Antwort, auch nach so langer Zeit. Ich hatte am Montag mit dem Finanzamt telefonert, und sieht so aus, als ob ich für 2015 keinen Einspruch gegen den Bescheid eingelegt hatte. Das ganze Thema war neu für mich. ich hatte denen einen Brief geschrieben, aber wohl nach der Einspruchsfrist. Ist der Zug dann komplett abgefahren, oder gibt es einen anderen Hebel? Vielleicht liest ja jemand mit und kennt sich aus. Ich denke, so allmählich gebe ich es auf. Sind halt 4000 € nicht anrechenbar als Verlust. Aber an Gewinnen beteiligt sich der Staat dann wieder mit 25%.... guten Abend und vielen herzlichen Dank für eure bisherigen Ratschläge.
Man könnte versuchen, eine Nachprüfung zu veranlassen. Zu bedenken ist aber, dass in dieser Nachprüfung nur Urteile bis Ende 2015 berücksichtigt werden und dass man die Nachprüfung (eventuell) nicht zurückziehen kann, wenn man durch die Nachprüfung Steuer (plus aufgelaufene Zinsen vom 0,5% pro vollen Monat) nachzahlen muss. Somit hat das Urteil von 2018 keinen Einfluss auf einen Steuerbescheid für das Jahr 2015.
Hallo, @aigredouce ,
das Wesentliche hat @immermalanders schon geschrieben. Seine Skepsis teile ich.
Wenn in Deinem 2015er Steuerbescheid nicht steht
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO oder vorläufig gemäß § 165 AO,
ist er bestandskräftig.
Wenn Dir nach trockener Lektüre ist, kannst Du versuchen, anhand dieser sehr ausführlichen Darstellung Deinen Fall einzuordnen. Neben den "Festsetzungsfristen" kannst Du Dich auf den Abschnitt "Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides" konzentrieren; bezeichnend dort der letzte Satz:
Der Steuerbescheid darf aber nicht zu Ihren Gunsten geändert werden, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht anders entschieden hätte (BFH-Urteil vom 22.4.2010, VI R 40/08, BFH/NV 2010 S. 1520).
"Schönrechnen" ist nicht meine Art, aber vielleicht rettet es ausnahmsweise Dein Wochenende:
Von den 4.000.- Verlust bleiben Dir auf jeden Fall 3.000.- stehen, egal was Du machst.
Gegen den höchst unwahrscheinlichen angestrebten Steuerverrechnungsvorteil von 1.000.- rechnest Du die Kosten des steuerlichen Beistands, ohne den Du die Sache kaum geregelt bekommst.
Hallo @stocksour und @immermalanders , nochmal ganz vielen Dank für eure fundierten Antworten. 3000€ anrechnen zu lassen, klingt zu schön um wahr zu sein. Ist eher ein Rechtsanwalt oder ein Steuerberater als oben erwähnter steuerlicher Beistand geeignet? Danke und schönen Abend!