Hallo zusammen,
ich möchte hier im Thread "Kauf Aareal Bank (WKN: 540 811)" begonnene sehr spannende Diskussion gerne raus trennen und hier weiter führen.
Erstmal vielen Dank an @Nopogo für die ausführlichen Erklärung.
Strategie zu Bewertung
Mich würde ehrlich gesagt interessierten wie Du den Einstiegs- und Austiegskurs ermittelst? Also auf Grundlage von Dividenden ist das ja noch irgendwie nachvollziehbar. Die historischen Daten sind über entsprechende Webseiten abrufbar, der Rest ist einfache Mathematik. Mit dem Einstiegskurs und der zu erwartenden Dividende kann man dann gut eine Rangliste bilden. Der Logik mit dem Dividenden-Aristokraten kann ich auch folgen.
Beim Value-Ansatz tue ich mir aber deutlich schwerer. Wie ermittle ich den inneren Wert einer Aktie um zu wissen ob die teuer oder günstig ist? Um ehrlich zu sein, ich traue mir nicht zu das in absehbarer Zeit in Eigenregie zu schaffen und bin somit auf Analysten angewiesen. Und da stehe ich dann direkt vor dem Problem welche Quelle ich verwenden soll!?
Stopp Loss
Über was ich mich nun auch schon länger Gedanken mache ist über Stopp-Strategien. Das wurde hier auch hier in der Community immer wieder diskutiert. Hier bin ich für mich bisher zu keinem wirklich Ergebnis gekommen. Drei Varianten habe ich da bisher Versucht:
1. Taktik: Enge Stopps, meistens bestimmte prozentuale Abstände, gerne als Trailling um konsequent Gewinne zu sichern. Funktioniert super wenns eh nur hoch geht. Beim heftigen hin und her seit Frühjahr 2015 ergibt das aber auf Dauer nur ein teures hin und her.
2. Taktik: Keine Stopps, "die Schwankungen sitz' ich aus" und "nutze die Chance noch etwas zu verbilligen". Mit der Taktik sitze ich nun auf einem relativ großen Paket Biotech Fondanteile, die ich aktuell nur mit deutlichen Verlusten los werden könnte. Und Biotech rauscht kräftig nach unten. 😉
3. Taktik: Weite Stopps, wie ich das jetzt von @Startrader0378 gelernt habe. Der orientiert sich auch an markanten Marken im Chartbild. Das war bisher die erfolgreichste Taktik. Ich habe nun mehrfach selbst in den turbulenten Zeiten erlebt wie die Stopps halten obwohl ich schon anderes befürchtet hatte und kurz danach die Kurse explodieren sind.
Allerdings beinhaltet wie mir scheint auch diese Taktik so seine Fallen. Wenn der Stopp doch erreicht wird geht man mit relativ viel Verlust raus. Der Abstand lag da meistens 15-20% unter dem aktuellen Kurs. Dem gegenüber steht dann eben wenig Gewinn, weil der Wert erst mal 15-20% ins Plus drehen muss bis der Stopp die Verlustzone verlässt. Das ist bei solche starken Schwankungen wie im Moment irgendwie nervend. Ich bin schon aus zwei Werten mit deutlich Verlust ausgestoppt worden ohne das ich da fundamentale Gründe dafür sehe. Da wäre mal meine Frage Dich @Startrader0378 ob Deine Taktik in der aktuellen Marktlage für Dich auf geht, oder Du den Lauf auch als etwas unrund empfindest?
Bei einer Strategie bei der ich mich vor allem auf die Dividenden konzentriere, die so bei 3-6% liegen, wäre so eine Taktik allerdings irgendwie tötlich denken ich.
Für sehr langfristige Investments muss man sich aber die Strategie-Frage nochmal ganz neu stellen. Wie vermeide ich völlig sinnlos ausgestoppt zu werden nur weil der Mark gerade wieder Bauchschmerzen hat? Aber wie komme ich aus dem Wert rechtzeitig raus wenns dann doch mal mit der Firma selbst bergab geht? Und steigt beim man beim Markt-Crash aus oder sitzt man das aus? Dazu würden mich mal die Meinungen und Strategien Aller interessieren die das gerne teilen möchten. 🙂
Gruß
Myrddin
ziemlich viele Fragen Mal sehen ob ich diese komprimiert beantworten kann:
Strategie und Bewertung:
1. Hier habe ich mir auf Guidants (keine Schleichwerbung) mehrere Desktops erstellt, die mir helfen Zeit zu sparen. Einer davon enthält neben meiner Dividendenwatchlist mit 9 Fundamentaldaten (Buchwert, Cashflow pro Aktie, Gewinn je Aktie unverwässert usw.) zudem die Aktionärsverteilung und die Kurzbeschreibung des Unternehmens.
2. Dann habe ich einen Desktop, wo ich die Dividendenwatchlist mit 4 Charts (10 Jahre/Monatschart, 5/Wochenchart, 1 Jahr/Tageschart und 1 Tag/Stundenchart) verknüpft habe und meine persönlichen Indikatoren hinterlegt sind. Hier schaue ich mir die Einzelwerte an, aber nicht länger als 20 - 25 Sek. Finde ich in dieser Zeit kein Setup (Muster usw.) klicke ich die nächste Aktie an. M.E. muss man sein Setup direkt erkennen und nicht suchen. Ich verlass mich zuerst nur auf meine Kenntnisse.
3. Meine Dividendenwatchlist, die ich letzte Woche für alle auf Guidants freigeschaltet habe, beinhaltet zu jedem Wert den HV-Termin, die zu erwartende Dividende, WKN, Kurs, %tuale Entwicklung usw.
4. Einstiegskurse errechne ich anhand meiner charttechnischen Ziele. Die Vorauswahl habe ich in der Dividendenwatchlist bereits getroffen.
5. Bei der Auswahl meiner Dividendentitel setze ich zuerst keine Stoppmarken, weil ich diese Titel langfristig anlege und die Dividenden ausschließlich dazu genutzt werden, neue Werte ins Depot aufzunehmen. Beispiel: Münchener Rück. Anfang 2008 zu 110 € Tranche 1. und Tranche 2. Ende 2008 zu 85 € erworben. Seither im Depot und die Absicherungsmarke liegt bei 125 €, soweit es im DAX zum Crash kommt.
6. Das wichtigste ist auch bei Dividendentiteln, dass eine gute Analyse die Einstiegskurse definiert. Bei mir derzeit z.B. als neues Langfristinvestment wieder Royal Dutch Shell B-Share, wo ich für die 1. Langfristtranche für mich einen guten Einstieg bei 17,00 - 17,50 €, ich kann auch mit 18 € leben, da hier bereits 9 % Quartalsdividende erreicht wird. 2. Tranche bei Doppelboden oder Tiefer. Bei Royal Dutch Shell muss man wissen, dass die Aktie seit 1945 ununterbrochen Dividende zahlt, diese noch nie kürzte und einen hohen Cash-Bestand hat.
7. Bei einer Auswahl von z.B. 10 Titeln habe ich also immer 1/3 Cash zur Verfügung um einzugreifen.
8. Stopps setze ich nur bei Kurzfristinvestments, Faktorzertifikaten usw. In meinem Musterdepot (virtuelles Depot aber mit echten Kursen und Gebühren) habe ich den Versuch gestartet auch bei Faktorzertifikaten ohne Stopps zu arbeiten. Das ging bis zum Sommercrash im DAX super. Aber dann. Also zeigt dieses Beispiel, dass Stopps bei allen Anlagearten die über Faktor 1 (Aktie) gehen immer mit Stopps arbeiten muss. Hier muss man zum einen sehr versiert sein und zum anderen die Ein- und Ausstiegspunkte klar definieren. Bei Trendaktien ist auch eine Stoppabsicherung m.E. unabdingbar. Hier verfahre ich mit einem 20 %igen TrailingStoppLoss.
9. Das sollte man Wissen:
Kein Aktieninvestment ist 100 %, keine Analyse, die nur Wahrscheinlichkeiten abbildet kann in der Regel 80 - 100% abbilden, keine Stoppmarke kann insbesondere in der derzeitigen Marktlage mit einer Vola von über 30 % (V-Dax 34 %) gut berechnet werden ohne ausgestoppt zu werden. In der derzeitigen Marktphase zahlt sich die Seitenlinie und hoher Cashbestand aus. Meine Erfahrung zeigt, dass man in diesen Marktphasen hohe Gewinne erzielen kann, aber auch alles verlieren, so dass das Chance-Risikoverhältnis klar zum Risiko kippt. Selbst Profis werden in dieser Marktphase oft ausgestoppt (nur die Zahlen in der Regel keine oder nur sehr geringe Ordergebühren)
Folgende Fragen sind vorher an sich selbst zu stellen!
1. Wieviel Kapital hab ich zur freien Verfügung.
2. Was will ich.
3. Bei Dividendentitel nimmt man z.B. die drei Tranchen Technik zu gleichen Teilen a z.B. 1.500 €).
Das bedeutet, dass ich nach einer umfassenden Chartanalyse mir die Kaufkurse berechne (derzeit habe ich ca. 210 Titel und 30 Indizes/Währungspaare usw. in Beobachtung), zu welchem Kurs ich kaufen möchte (Tranche 1.) Tranche 2 kommt zum tragen wenn entweder der Gesamtmarkt stark fällt und die Aktie mitgerissen wird oder wenn sich ein Doppel- oder Tripleboden ausgebildet hat. Tranche 3 ist reine Absicherungsposition. Somit habe ich zuerst nur 1/3 investiert und 2/3 Cash. Zumindest aber immer 1/3 Cash, das ist ganz wichtig m.E..
4. In Märkten wie derzeit wo der DAX sich in einem Abwärtstrend befindet muss man die Kaufmarken im Hinblick auf die Rücksetzer, da eine große Schwankungsbreite herrscht weitaus tiefer setzen. Am besten man beobachtet verschiedene Analysten, die auch genau die eigene Strategie fahren und schaut sich eine zeitlang deren Anaylsen an, lernt und prüft, ob diese mit den avisierten Marken des Analysten ungefähr oder genau zutreffen.
5. Bei Optionsscheinhandel, Faktorzeritifikaten oder Knock-Outprodukten mit Hebel von 1 - 200 sollte man sein Handwerkszeug erlernt haben. Ansonsten ist das eingesetzte Kapital schneller weg als man denkt.
Ich hoffe dass ich Deine Fragen insoweit beantwortet habe. Gerne kannst Du auch auf meiner Guidantsseite kostenlos vorbeischauen. Auch ich bin kein Profi sondern habe einen allgemeinen Beruf. Bin nur schon seit den 90er an der Börse aktiv. So jetzt habe ich genug aus dem Nähkästchen geplaudert. Es wurde doch länger als erwartet, so dass ich eine Bezifferung vorgenommen habe. Die Familie ruft und ich muss noch die Allianzaktie checken.
VG
Nopogo
Hallo nochmal,
mein privates Depot steht seit Beginn des Jahres aktuell mit -1,21 % unter Wasser. Mein Wikifolio (aufgelegt im Juni 2015) mit -10 %. Das ist in meinen Augen noch passabel. Die aktuelle Entwicklung hat mich etwas auf dem falschen Fuß erwischt. So einen schlechten Jahresstart hat es noch nie gegeben. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich das wieder aufholen werde. Insgesamt hat sich meine Strategie bewährt. Seit 1996 habe ich damit ca. 3000 % Rendite erzielt.
Viele Grüße
Startrader0378
Hallo @Nopogo,
danke für die sehr ausführliche Antwort. Zu den Tranchen hätte ich noch Fragen:
1. Du reservierst also zunächst Tranche 2&3 in Deinem Cash-Bestand zu rührst das Geld für nichts Anderes an?
2. Die Verwendung von Tranche 3 ist mir jetzt noch nicht klar. Was ist mit "reiner Absicherungsposition" gemeint?
Gruß
Myrddin
Hallo Myrddin,
ich habe mehrere Depots. Eins ist mein Langfristdepot, welches nur über Langfristtitel verfügt und immer einen Cashbestand hat. Dieser wächst in der Regel mit den Dividenden des Jahres. Hieraus kaufe ich neue Positionen.
1. Bei einer Kaufabsicht eines Titel reserviere ich mir Geld in bestimmter Höhe, ja.
2. Kauf der 1. Tranche. Geld bleibt für Tranche 2 und 3 im Cashbestand und wird für nichts anderes verwendet (eiserne Regel).
3. Kaufe ich auch Tranche 2, bleibt der Betrag für Tranche 3 nur noch als Cash.
4. Der Betrag für Tranche 3 dient nur für Extremphasen bei Dividendentiteln und wenn diese nach charttechnischer und fundamentaler Sicht weiterhin gut aufgestellt sind. In der Regel aber Cash.
5. Somit befindet sich grds. immer ein hoher Cashbestand in meinem Depot. In der Regel ca. 25 - 30 % des Depots.
6. Dieser hohe Cashbestand wird nur verringert, wenn ein längerer Bullenmarkt zu erwarten ist. Dann Reduzierung auf max. 10 - 15 %.
7. Ich arbeite an der Börse vom Grunde her sehr systematisch und nicht hektisch.
8. Mein Musterdepot auf der anderen Plattform dient mir selbst dazu, neue Ideen auszuarbeiten. Daher weise ich dort auch des öfteren darauf hin, dass das Musterdepot nichts direkt mit meinen Analysen zu hat. Es handelt sich eher um einen Fachaustausch dort, wo alle voneinander lernen können.
9. Ich habe auch noch ein spekulativeres Depot, hier werden neue Ideen ausgearbeitet mit kurzfristigen Investments. Dies hat aber eine weitaus schlechtere Performance. Warum, weil ich einen Fulltime Job habe.
10. M.E. hat man mit kurzfristigen Trades an der Börse langfristig nur Erfolg, wenn man in der freien Zeit diese durchführt (Erfahrung).
11. Je mehr Trades ich durchführe, desto höher besteht die Gefahr, dass ich eine größere Anzahl an Verlusttrades habe. Hierbei ist es wichtig, das die Verluste insgesamt kleiner sind als die Gewinne.
VG
Nopogo
Hallo @Nopogo,
zu 4., was sind für Dich Extremphasen? Wenn der Wert extrem billig zu bekommen ist? Wenn ich Dich richtig verstehe kauft Du ja sowieso erst wenn der Wert schon günstig zu bekommen ist.
Und die hohe Cashquote auf den Wert bezogen lohnt sich? Gerade bei Titel die Du langfristig hältst kann es ja sein dass das Geld lange Zeit reserviert ist und kaum arbeitet.
Finde das übrigens schon faszinierend wie systematisch Du an die Sache gehst. 🙂
Gruß
Myrddin
Hallo Myrddin,
Extremphasen beziehen sich bei mir übergeordnet auf den Weltmarkt, wenn also durch einen Crash sämtliche Werte mitgezogen werden, auch wenn dies Fundamental unbegründet ist.
Ja, mein Tradeverhalten im Dividendendepot haut keinen vom Hocker. Aber es wächst ständig und in meinem Alter ist dies nunmehr wichtiger als ständig zu traden. Dafür habe ich mein Versuchdepot.
Es liest und schreibt sich einfach. Aber auch ich war mal am Rand des K.O. und das war 2003. Aber ich habe damals viel gelernt, meine Analysen und meine Strategie ständig weiterentwickelt. Ich habe schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Das was wohl jeder an der Börse durchlebt. Wer sagt, das passiert ihm nicht, hatte Glück oder ist ein Genie.
Ich verlasse mich auch nicht mehr auf andere. Das habe ich früher getan. Ich bitte daher alle, sich in die Markttechniken einzulesen und zu lernen. Denn der Erfolg an der Börse, soweit er eintritt, kann ein langer Leidensweg sein. Und das Geld fließt einem nicht zu.
Wir als kleine Trader laufen vom Grunde her nur dem "Großen" hinterher. Ich versuche nur mit meiner Analysearbeit das beste daraus zu machen. Der Reiz ist der Gewinn. Ich bin auch nur Laie mit ein paar wenigen Kenntnissen und einem Plan dazu.
VG
Hallo Myrddin,
ich hatte noch ganz vergessen mitzuteilen, dass die 3. Tranche auch dazu genutzt werden kann, seine Dividendentitel mit Short Knock-Outs zu sichern, was ich auch gerne mache.
Hierzu bedarf es aber einer guten Analyse (wo ist das Hoch des Dividendentitel) um ein Knock-Out-Papier mit welchem Hebel zu kaufen.
So ein Strategiebestandteil hat den Vorteil, das wohl viertuell der Wert fällt, aber der Knock-Out-Schein im Gewinn ist. Hat man zudem das Glück in der Nähe des Tiefpunkts einer Konsolidierung den Short zu verkaufen, kann man den Gewinn für andere Investments usw. nutzen.
VG
Josef
Ich nehme als Absicherungsstrategie gerne die Dividenden. DIese investiere ich in bestimmten Phasen in Short-Positionen. Das hat sich auch ganz gut bewährt.
Hallo Nopogo,
warum nimmst Du eigentlich die Royal Dutch Shell B-Share und nicht die Royal Dutch Shell A-Share? Ich dachte bei der A-Share ist die Besteuerung der Dividende für Deutsche günstiger.
VG Totti