Hallo
habe bisher nur Aktien gehandelt und möchte nun auch Anleihen u.a. festverzinsliche Produkte kaufen. Wo finde ich eine möglichst umfassende Übersicht über Anleihen? Gibt es hier etwas Vergleichbares wie die Indizes bei Aktien? Kann mir jemand Tipps geben?
Vielen Dank!
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Hallo,
eine erste Station sind eigentlich Anleihe-Suchmaschinen, die eigentlich auf allen Handelsplattformen, Börsen etc. zu finden sind.
z.B. Börse Stuttgart: Anleihe-Finder
Dort kann gezielt nach einzugebenden Parametern nach Anleihen gesucht werden.
Dabei dürfte ein wichtiges Kriterium die Bonität des Schuldners und der Zinskupon sein.
Die Kurse von Anleihen werden immer in Prozent angegeben.
Es gibt einen Zinstermin (manchmal auch 2), an welchem die Zinsen bezahlt werden und einen Fälligkeitstermin, an welchen die Anleihe zurückgezahlt wird.
Ein weiteres Augenmerk ist auf die Stückelung zu richten. Die meisten Anleihen sind in 1000er Schritten gestückelt, es gibt aber auch Anleihen, die haben eine Stückelung von 5000, 50000 oder gar 500000 - es sei denn, solche Anlagesummen passen ins "Beuteschema" (ich habe jetzt mal bewusst die Währung weg gelassen, denn dazu kommt gleich noch was...)
Neben der Stückelung ist ein interessanter/wichtiger Faktor die Währung der Anleihe. Bei Fremdwährungen ist dann immer noch der Währungskurs zu berücksichtigen - das betrifft auch die Zinszahlung !
Zum Schluss ist beim Kauf noch zu bedenken, dass zum Kaufpreis die aufgelaufen Zinsen an den Vorbesitzer bezahlt werden.
Bsp.:
Anleihe Kupon = 5,00; Währung Euro; 182 aufgelaufene Zinstage; Stückelung = 1000
Anleihewert 1000 Euro kosten bei einem Kurs von 90 %: 1000*0,9+182*(1000*0,5/365) = 924,93 Euro
Anleihewert 1000 Euro kosten bei einem Kurs von 100 %: 1000*1,0+182*(1000*0,5/365) = 1024,93 Euro
Anleihewert 1000 Euro kosten bei einem Kurs von 110 %: 1000*1,1+182*(1000*0,5/365) = 1124,93 Euro
(alles zzgl. Gebühren)
Bsp. bei einer Anleihe in Fremdwährung:
Anleihe Kupon = 5,00; Währung TRY (türkische Lira); 182 aufgelaufene Zinstage; Stückelung = 1000; Kurs EUR/TRY: 1/3,52 (Stand ca. 16.00 Uhr)
Anleihewert 1000 TRY kosten bei einem Kurs von 100 %: (1000*1,0+182*(1000*0,5/365))/3,52 = 291,17 Euro
(alles zzgl. Gebühren)
Ich hoffe, ich habe nix von den Basis-Grundlagen vergessen.
Schöne Grüsse
Staudamm24
Vielen Dank für die Super Einführung!
Wenn ich nun nach der Rendite entscheiden möchte, wie schätze ich das Emittentenrisiko ein? muss ich da Ratingagenturen konsultieren?
Hallo @Swissmaster,
meine wenigen Erfahrungen nach ist das Emittentenrisiko ein entscheidender Punkt. Gerade im Sektor Mittelstandsanleihen platzt gefühlt ein Bond nach dem anderen. Ich habe dem Markt aktuell nicht mehr im Blick, aber bei den halbwegs soliden Anleihen war mir die Rendite einfach viel zu niedrig. Da bekomme ich kaum die Handels-Gebühren wieder rein.
Also ich kann hier nur empfehlen sich umfassend zu informieren und in die Thematik einzulesen. Hier warten Risiken auf einen die man auf den ersten Blick gar nicht so recht erfasst. Etwas ältere Investment-Ratgeber setzen auf Anleihen als Risiko-Minimierer, aber ich habe große Zweifel ob das in der Ultra-Niedrig-Zins-Welt noch so funktioniert wie einst gedacht.
Ich lasse von Anleihen komplett die Finger und setze auf Dividenden-Aktien.
Gruß
Myrddin
Hallo @Myrddin,
vielen Dank für deine Einschätzung. Ich würde eigentlich annehmen, dass sich ein Unternehmen nur im äussersten Notfall leistet, eine Anleihe nicht zu bedienen. Warum gibt es dann so viele Ausfälle? Nur im Insolvenzfall?
Und wie lässt sich ein Mittelständler einschätzen, wenn er nicht eine Rating-Agentur beauftragt hat? Werden Zahlungsausfälle irgendwo publiziert? Gibt es da schwarze Listen, oder auch positive Track Records?
Merci und Gruss,
Swissmaster
Hallo @Swissmaster,
ich hab' gerade wenig Zeit darum ganz kurz.
Ja die Firmen gehen dann Pleite, weil sie eben Ihre Schulden nicht mehr zahlen können. Ich vermute gerade die Mittelständler verheben sich mit diesen Anleihen. Die Zinsen werden ja meistens jährlich gezahlt, schafft das Unternehmen im Jahr nicht genug für die Zinszahlung zu sparen knallts.
Ich hatte Anteile der Scholz AG Anleihe, die waren schon in etwas schwierigen Fahrwasser, aber die Anleihe wurde durchaus mit Aufpreis gehandelt. Nur sind die dann eben doch wieder richtig in Schlingern geraten. Ich bin zum Glück noch mit leichten Plus raus gekommen.
Dann hatte ich mal die Anleihe der Penell GmbH zeichnen wollen. Da war die Anleihe angeblich durch den Warenbestand besichert. Als der Bond nur Monate nach der Ausgabe geplatzt ist wurde klar, der Bestand war viel weniger Wert als angegeben.
Und bitte nicht vergessen, nach einer Insolvenz geht es für die Firma nach einer Sanierung oft wieder weiter. Nur Dein Bond ist eben geplatzt und Du wirst wenns blöd läuft mit 5%, 10% oder 15% Deiner Einlage abgespeist.
Ansonsten einfach mal nach Mittelstandsanleihen Googeln auf den einschlägigen Finanzseiten gibt es da massig Artikel zu.
Bei den Anleihen wirklich solider Emittenten hast Du dafür ein hohes Zinsänderungsrisiko. Die Anleihen werden oft mit absurden Aufpreisen gehandelt. Sollten die Zinsen wieder anziehen kann sich der Anleihenkurs deutlich verringern. Und selbst wenn Du das aussitzen kannst und wartest auf Auszahlung bekommst Du nur Deine 100% Einlage zurück. Hast Du die Anleihe für 125% gekauft reisst das eine deutliche Lücke in die Rendite.
Gruß
Myrddin
Merci
was mir immer noch nicht klar ist:
gibt es irgendwo Informationen, welche als "sicher" gerateten Emittenten bereits Ausfälle verursacht haben? Oder kann man sich darauf praktisch verlassen, dass bei investment grade Anleihen nichts passiert? dann muss man ja nur die höchst rentierende kaufen und bis zur Auszahlung behalten?
Beste Grüsse
Hallo @Swissmaster,
zunächst mal eine Gegenfrage, wieso willst Du denn in Anleihen investieren? Was erwartest Du Dir davon? Welchen Vorteil siehst Du gegenüber anderen Anlageklassen?
Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich das es solche Informationen bereits zusammengestellt gibt. In wieweit diese frei zugänglich sind und wo die zu finden sind kann ich Dir leider nicht beantworten. Evtl. müsstest Du mal nach Literatur zum Thema suchen.
Also wirklich 100% sicher gibt es bei der Geldanlage meiner Meinung nach nicht. Das sollte Jedem klar sein. Man muss mit gewissen Wahrscheinlichkeiten arbeiten und so mehr Informationen man hat und so besser man diese Interpretieren kann um so näher liegt man wohl an dem dran was passieren wird. Das ist übrigens auch das Problem von Rating-Agenturen, die sind auch nicht Gott, haben nicht das absolute Wissen und können nicht in die Zukunft sehen.
Die Rendite und Risiko hängen bei der Geldanlage ja meistens direkt zusammen. Hast Du also sehr viel Sicherheit, hast Du in der Regel sehr wenig (bzw. negative) Rendite.
Du musst einfach eine ganze Reihe von Parametern beachten und Szenarien durchspielen. Ich versuche mich mal in ein paar Varianten um das zu veranschaulichen:
Du kaufst eine Staatsanleihe eines soliden Staates direkt bei der Ausgabe zu 100% des Nennwertes. Die Laufzeit beträgt viele viele Jahre. Evtl. zu viel um das bis zum Ende aussitzen zu können? Den gebotene Zins ist aber arg gering, zu gering um die Inflation ausgleichen zu können? Du verlierst also Geld. Nun steigen die Zinsen, Deine Anleihe ist weniger Attraktiv und der Kurs fällt, Du kannst jetzt nur noch mit Verlust verkaufen oder mit den Minizins leben, obwohl es wieder Anlagen mit attraktiven Zinsen gäbe.
Alternativ kaufst Du eine bereits ausgegebene Staatsanleihe mit kürzerer Restlaufzeit, allerdings mit Preis-Aufschlag weil das ja eine sichere Anlage ist. Das könntest Du dann wohl tatsächlich aussitzen. Allerdings dürfte der Aufschlag so hoch sein, das Du sehr aktiv Geld verlierst weil das Verhältnis zwischen Zins und Inflation nicht stimmt.
Edit - Ergänzung: Ach ja, noch vergessen. Solltest Du die Anleihe bis zu Fälligkeit halten, musst Du zusätzlich ja noch den Preis-Aufschlag erwirtschaften, denn Du bekommst ja nur 100% des Nennwerts zurück. Du hast ja mein Kauf bereits Minus gemacht.
Kaufst Du eine Anleihe einer soliden große Firma könnten die Zinsen etwas besser sein. Aber auch diese Anleihen werden vermutlich mit deutlichen Aufschlag gehandelt. Und bei Firmen egal welcher Größe ist der Niedergang nie ganz auszuschließen. Wer hätte gedacht das Nokia oder die großen deutschen Energieversorger so einen Niedergang erleben?
Ich bin jetzt kein Anleihen-Profi, mag sein ich habe so manches noch nicht bedacht und sogar Zusammenhänge falsch verstanden. Aber für mich war irgendwann klar das ich als Kleinanleger aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik in dem Segment keinen Stich machen werde. Das Verhältnis von Rendite und Risiko stimmen für mich bei Anleihen nicht mehr.
Und ich kann Dir nur nochmals empfehlen alles gut durch zu rechnen und Dich über möglich Risiken gut zu informieren.
Gruß
Myrddin
Hallo Myrddin,
warum mich Anleihen interessieren, ist ganz einfach: wenn ich sie bis zur Rückzahlung behalte, dann sind die Bedingungen klar, Volatilität ist irrelevant, es bleibt lediglich das Emittenten-Risiko. Ich kann mir die Rendite ganz einfach ausrechnen.
Ist für mich keine Alternative zu Aktien, sondern zu Cash. Ich will ja nicht alles in Aktien anlegen.
Also bleibt nur die Frage, ob der Emittent auch zurückzahlen wird. Darum möchte ich herausfinden, ob die grossen, "sicheren" Firmen bereits einmal Anleihen haben platzen lassen. Auch wenn es der RWE etc. nicht gut geht, ist noch nicht gesagt, dass sie ihre Anleihen nicht bedienen. Sicher ist nur, dass der Aktienkurs eingebrochen ist.
Viele Grüsse
Hallo @Swissmaster,
nun gut genau das war auch mein Einstiegsgrund. Klare Verhältnisse! Kann ich gut verstehen. Zum Glück habe ich schnell gemerkt so klar waren die Verhältnisse mich leider nicht, das Risiko sehr viel Höher als erwartet.
Ich will Dir aber gar nicht aus- oder einreden. Musst zu Deinen eigenen Erkenntnissen kommen. Ich hoffe dabei etwas Unterstützung geleistet zu haben.
Gruß
Myrddin