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Griechenland auf Kollisionskurs

09.07.2015 16:59

 

Nach dem Ergebnis des Referendums in Griechenland erscheint die Situation auf dem ersten Blick aussichtslos. Die Bevölkerung in Griechenland hat den Zwischenstand der Verhandlungen mit den Geldgebern abgelehnt und damit signalisiert, dass sie nicht zu weiteren Sparmaßnahmen bereit sind. Beide Seiten haben die rhetorischen Hürden hoch gelegt, sodass mittlerweile eine Einigung ohne Gesichtsverlust kaum noch möglich erscheint.

  

Was sind die Optionen?


Die erste Möglichkeit wäre das oft beschworene Ende mit Schrecken, sprich Griechenland verlässt den Euro. Die Folge wäre der wirtschaftliche Zusammenbruch in Griechenland. Die griechische Regierung bräuchte viel ökonomisches Geschick, damit das Land wieder Wettbewerbsfähig wird und an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. Genauso wie die Bevölkerung weitere Sparmaßnahmen ablehnt, möchte die Mehrheit der Griechen im Euroraum bleiben. Würde die Regierung von Ministerpräsident Tsipras den Euroaustritt anstreben, wäre der innenpolitische Widerstand groß.


Der Schrecken wäre aber auch auf Seiten der restlichen Euroländer. Der „Grexit“ würde die Kredite und anderen Forderungen gegenüber Griechenland wertlos werden lassen. Laut Berechnungen des ifo-Instituts müssten die Staatshaushalte von Deutschland 87 Mrd. € (2,9% des BIP), von Frankreich 66,5 Mrd. € (3,0% des BIP), von Italien 58 Mrd. € (3,5% des BIP) und von Spanien 39,6 Mrd. € (3,6% des BIP) an zusätzlichen Belastungen verkraften.

 

Zum Vergleich, der Bundeshaushalt für 2015 hat ein Volumen von 299,1 Mrd. €. Noch nicht berücksichtig sind Ausgaben, die für die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft notwendig wären. Schwer abzusehen ist, wie die internationalen Finanzmärkte auf den „Grexit“ reagieren würden. Das Risiko ist hoch, dass in diesem Fall die Kapitalmarktzinsen der anderen Euroländer deutlich steigen könnten, was den Aufschwung in der Eurozone beenden würde. Damit haben auch die Gläubiger einen deutlichen Anreiz die Verhandlungen mit Griechenland fortzuführen. Dies ist zugleich die zweite Option.

 

Griechenland auf Kollisionskurs.jpg 

Die Verhandlungen scheiterten vor allem an mehreren kleineren Punkten (Startzeitpunkt der Anhebung des Renteneintrittsalters Juli 2015 vs. Oktober 2015, Mehrwertsteuerrabatt für die griechischen Inseln, …) und der griechischen Forderung nach einem Schuldenschnitt. Die anderen Punkte scheinen überbrückbar, allerdings schloss unter anderem die Bundesregierung als auch die EZB die Beteiligung an einem Schuldenschnitt aus. Die EZB darf sich wegen des Verbots der Staatsfinanzierung durch die Zentralbank nicht an einem Schuldenschnitt beteiligen.

 

Die Bundesregierung bevorzugt eine weitere Verlängerung der Laufzeit der griechischen Schulden und eventuell eine weitere Verringerung der Zinsen. Zwar käme dies faktisch einem Schuldenschnitt gleich, allerdings bliebe die Kreditfähigkeit Griechenlands an den Kapitalmärkten eingeschränkt. Die Forderung nach einem teilweisen Schuldenerlass für Griechenland wird vom Internationalen Währungsfonds unterstützt.

 

Der Vorteil für alle Gläubiger wäre, dass sie nicht komplett auf ihre Forderungen verzichten müssten, ihre Staatshaushalte in geringerem Umfang belastet werden und dass der Prozess geordnet ablaufen würde. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Frankreich und Italien für eine Fortsetzung der Verhandlungen eintreten und auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel grundsätzlich zu neuen Verhandlungen bereit ist.

 

Zeit bis zum 20. Juli

 

Der EZB kommt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle zu. Sie könnte den Staatsbankrott beschleunigen, indem sie die ELA (Emergency Liquidity Assistance) für die griechischen Banken stoppt. Damit käme es zur Pleite der Banken in Griechenland, was den Staatsbankrott nach sich ziehen würde. Allerdings wäre dies eine politische Entscheidung von großer Tragweite, die der EZB-Rat aus gutem Grund den Regierungschefs der Euro-Gruppe überlässt. Allerdings werden am 20. Juli 2015 3,5 Mrd. € an Anleihen fällig, die Griechenland der EZB schuldet. Sollte die griechische Regierung die Zahlung nicht leisten können, muss die EZB jedoch die ELA für die Banken in Griechenland untersagen. Damit wird das Zeitfenster für eine einvernehmliche Lösung zwischen den Gläubigern und Griechenland auf die kommenden beiden Wochen beschränkt.


Die Zwischenzeit kann an den Finanzmärkten weiterhin unruhig bleiben. Das Direktoriumsmitglied der EZB Benoit Coeure kündigte am Sonntag an, dass die EZB alle bestehenden Instrumente ausschöpfen werde und gegebenenfalls neue geldpolitische Instrumente nutzen wird, um die Stabilität des Finanzsystems in der Eurozone zu gewährleisten.


Fazit


Mit dem Referendum vom 5. Juli ist die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands aus dem Euro gestiegen. Dennoch rechnen wir mit einer Fortführung der Verhandlungen, damit Griechenland in der Eurozone verbleiben kann. Diese Erwartung spiegelt sich auch in der moderaten Reaktion der internationalen Kapitalmärkte auf den Ausgang des Referendums wider. Somit kann ich nur wiederholen, was ich vergangene Woche an dieser Stelle (siehe Blog-Artikel vom 30.06.2015 "Kommt nun der Grexit?")  geschrieben habe:


Vor diesem Hintergrund rechnen wir weiter mit einer hohen Schwankungsbreite an den Anlagemärkten. Bei ausreichender Risikobereitschaft betrachten wir diese Situation dennoch eher als Kaufgelegenheit für Aktien. Der Aufschwung, der vor allem durch sinkende Kreditzinsen, den gefallenen Ölpreis und den gefallenen Wechselkurs des Euros getragen wird, ist aktuell nicht durch das ewige Taktieren im griechischen Schuldenstreit gefährdet.

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