Zertifikate, Optionsscheine, Aktienanleihen – das sind sogenannte Derivate. Erfahren Sie hier, was diese Wertpapierklasse so spannend macht.
Wer als Privatanleger nur Aktien, Fonds oder Anleihen kauft, hat etwas verpasst! Denn eine weitere Gruppe von Wertpapieren ist interessant: die sogenannten Derivate. Dazu gehören Zertifikate, Optionsscheine und Aktienanleihen. Welche Besonderheiten diese Anlageklasse mit sich bringt, erfahren Sie hier.
Derivate: Die Kursentwicklung hängt ab von Basiswert und Konstruktion
Eine Tatsache haben alle Derivate gemein: Ihr Kurs leitet sich vom Kurs eines Basiswerts ab. Daher auch der Name „Derivat“, zu Deutsch: „abgeleitet“. Der Basiswert ist meistens eine Aktie, ein Index oder ein Rohstoff. Dessen Kurs bestimmt maßgeblich, wie sich der Kurs des Derivats entwickelt. Die wenigsten Derivate spiegeln allerdings den Basiswert eins zu eins wider. Viele sind komplizierter gestrickt: Da wird der Kurs des Basiswerts – je nach Derivat – umgerechnet. Die Rechenformel dazu hängt von der Art des Derivats ab.
Auch bei der Laufzeit gibt es Unterschiede. Die meisten Derivate werden nach ein bis drei Jahren fällig. Es gibt aber auch Derivate, die unbegrenzt laufen („open end“).
Wer legt Basiswert, Konstruktion, Rechenformel und Laufzeit fest? Ganz einfach: der Emittent. Das ist der Herausgeber des jeweiligen Derivats, meist eine Bank. Und es ist ähnlich wie im Supermarkt: Da es unterschiedlichste Vorlieben gibt, ist die Auswahl riesig.
Zertifikate, Optionsscheine, Aktienanleihen: Was es bei Derivaten alles gibt
Zertifikate sind die bekanntesten und bei Privatanlegern beliebtesten Derivate. Dafür einige Beispiele:
Indexzertifikate:
Hier wird der Kurs des Basiswerts nur durch 10 oder 100 geteilt (das nennt sich Bezugsverhältnis). Ansonsten spiegelt der Kursverlauf eines Indexzertifikats ganz genau den des Basiswerts wider. Beispiel: Ein DAX-Indexzertifikat mit dem Bezugsverhältnis 1:100 steht bei 80 Euro, wenn der DAX 8.000 Punkte hat, bei 90 Euro sind es 9.000 DAX-Punkte, bei 100 Euro liegt der DAX bei 10.000 Punkten und bei 110 Euro bei 11.000 und so weiter. Die Umrechnung ist hier einfach!
Discountzertifikate:
Diese Derivate bieten einen fest definierten Rabatt (englisch: „discount“) auf den Kurs des Basiswerts. Der Zertifikatsinhaber profitiert jedoch nicht unbegrenzt vom Kursanstieg des Basiswerts, sondern nur bis zu einer bestimmten Grenze, dem sogenannten Cap. Beispiel: Ein Anleger kauft ein Discountzertifikat auf eine Aktie, deren Kurs aktuell bei 140 Euro steht. Der Anleger bekommt das Papier aber schon für 125 Euro. Der Cap liegt bei 160 Euro. Die Kursentwicklung der Aktie bestimmt, was der Anleger am Ende der Laufzeit erhält.
Nur, wenn die Aktie unter 125 Euro fällt, hat er Verluste gemacht. Bleibt sie über dieser Marke, ist der Anleger in der Gewinnzone. Steigt die Aktie über die Cap-Obergrenze von 160 Euro, erhält er diese 160 Euro – und nicht mehr. Sie sehen: Die Konstruktion eines solchen Derivats kann ganz schön kompliziert sein!
Hebelzertifikate:
Hier wird die Wertentwicklung des Basiswertes gehebelt – und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Beispiel: Ein Hebelzertifikat ist mit Hebel 3 ausgestattet. Das heißt: Steigt der Kurs des Basiswertes um 1 Prozent, steigt das Hebelzertifikat um 3 Prozent. Fällt der Kurs um 1 Prozent, verdreifacht das Hebelzertifikat auch diese Abwärtsbewegung. Aber das ist noch nicht alles: Hebelzertifikate haben stets eine Knock-out-Schwelle. Erreicht oder unterschreitet der Basiswert diese Schwelle, dann verfällt das betreffende Hebelzertifikat in der Regel wertlos. Übrigens gibt es auch Hebelzertifikate mit denen Anleger an fallenden Kursen partizipieren können. Diese Derivategattung ist nichts für schwache Nerven und für Anfänger nicht geeignet!
Nicht zu den Zertifikaten, sehr wohl aber zu den Derivaten gehören Optionsscheine. Ähnlich wie Hebelzertifikate haben sie einen Hebel. Nur ändert sich dieser Hebel während der Laufzeit, die Kursberechnung ist weitaus komplizierter. Den Kurs von Optionsscheinen selbst zu ermitteln, ist praktisch unmöglich. Errechnet wird er vom Händler, der für den Emittenten arbeitet. Aber dafür gibt es keine Knock-out-Schwelle, die das Papier auf einen Schlag wertlos macht.
Eine weitere Kategorie von Derivaten sind die Aktienanleihen. Sie funktionieren zunächst wie normale Anleihen und sind sogar vergleichsweise gut verzinst, oft mit hohen einstelligen Zinscoupons. Aber der Emittent hat die Wahl, ob er am Laufzeitende den Nominalwert zurückzahlt, also den Einsatz des Anlegers, oder stattdessen auch die Aktie des Basiswerts. Was für diesen ein ziemliches Minusgeschäft wäre, wenn deren Kurs während der Laufzeit abstürzt. Sie sollten bei Derivaten also immer genau hinschauen, worauf Sie sich einlassen.
Noch eine Besonderheit: Den Preis stellt stets ein Market Maker
Wie hoch oder tief der Kurs eines Derivats ist, hängt nicht vom Angebot oder der Nachfrage ab. Er wird zu jedem Zeitpunkt neu errechnet in Abhängigkeit vom Kurs des Basiswerts. Ihnen als Anleger kann also praktisch egal sein, wie gefragt ein von Ihnen gewünschtes Derivat ist. Denn die Kurse stellen die vom Emittenten beauftragten Händler. Wenn Sie ein Zertifikat kaufen wollen, bekommen Sie die Kurse vom Market Maker – das gilt auch bei einem Verkauf vor dem Laufzeitende.
Wichtig: Emittentenrisiko beachten
Derivate bergen ein gewisses Risiko jenseits der Kursentwicklung: das sogenannte Emittentenrisiko. Denn anders als Aktien sind Derivate keine Sachwerte, sondern lediglich ein Zahlungsversprechen des Emittenten (das nennt sich „Inhaberschuldverschreibung“). Von seiner Zahlungsfähigkeit hängt ab, ob er sein Versprechen hält. Deshalb sind Derivate von Emittenten tabu, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Die Risikokandidaten lassen sich aber meist herausfinden mit dem Risikomonitor des Deutschen Derivate Verbands. Dort können Sie sich anmelden und die Derivate eingeben, für die Sie sich interessieren. Ändert sich etwas an der Risikoklasse, werden Sie per E-Mail informiert.
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Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
- Als Derivate bezeichnet man im Finanzwesen Produkte, deren Preis von einem anderen Produkt, einem sogenannten Basiswert, abhängt.
- Für Privatanleger wichtige Derivate sind vor allem Zertifikate (z. B. Index-, Discount- oder Hebelzertifikate), Aktienanleihen und Optionsscheine.
- Es gibt Derivate mit fester Laufzeit und solche, die endlos laufen („open end“).
- Bei Derivaten besteht ein Emittentenrisiko: Sie sind lediglich eine Schuldverschreibung, sprich ein Zahlungsversprechen des Emittenten. Damit verbriefen sie – anders als etwa Aktien – keinen Sachwert.