Der Blick auf die Kurstafeln der Börsen ist seit vergangener Woche beängstigend. Die Frage lautet: ist die Hausse zu Ende und folgen weitere starke Verluste? Dieser Artikel gewährt Ihnen Einblicke in die chinesische Wirtschaft und liefert fundierte Argumente gegen das Aufkommen einer erneuten Finanzkrise.
Den Startpunkt der aktuellen Verluste setzte die Abwertung des chinesischen Yuan. Die Regierung entschied sich, das Verfahren zur Bestimmung des Referenzkurses der Währung neu zu gestalten: Anstatt mit einer Umfrage unter den Banken – durch die der Referenzkurs des Yuan für diesen Tag festgelegt wurde – dient nun der Schlusskurs des vorhergehenden Handelstages als Referenzwert.
Damit geht die chinesische Regierung einen weiteren Schritt, um ihre Währung freier handelbar zu machen. Erklärtes Ziel: den Yuan international als Reservewährung aufzubauen, so wie aktuell US-Dollar, Euro und japanischer Yen. Seit der Umstellung des Verfahrens am 10. August wertete der Yuan mit einer schnellen Kursbewegung im Vergleich zum US-Dollar um ca. 3% ab.
Viele Beobachter sehen in dieser Maßnahme ein Zeichen der Schwäche der chinesischen Wirtschaft, die durch eine Wechselkursabwertung teilweise bekämpft werden soll. Außerdem wird ein sich beschleunigender Abwertungswettlauf unter den Schwellenländern befürchtet.
Seit der Umstellung des Verfahrens am 10. August wertete der Yuan mit einer schnellen Kursbewegung im Vergleich zum US-Dollar um ca. 3% ab. Viele Beobachter sehen in dieser Maßnahme ein Zeichen der Schwäche der chinesischen Wirtschaft, die durch eine Wechselkursabwertung teilweise bekämpft werden soll. Außerdem wird ein sich beschleunigender Abwertungswettlauf unter den Schwellenländern befürchtet.
Wie wahrscheinlich ist eine neue Finanzkrise?
Bei näherer Betrachtung der Fakten sind diese Befürchtungen aber wenig begründet. Seit 2010 wertete der Yuan gegenüber dem US-Dollar um knapp 10% auf – gegenüber dem Euro wertet er mehr als 20% auf und gegenüber dem japanischen Yen sogar 35%. Betrachtet man die Entwicklung des Wechselkurses des Yuan gegenüber den Währungen der Handelspartner Chinas und bezieht die Effekte ein, die sich aus unterschiedlichen Inflationsraten ergeben, so verzeichnete der Yuan eine Aufwertung von mehr als 30%.
Der Yuan war damit eine der stärksten Währungen weltweit. Der US-Dollar wertete hingegen – gegenüber den Währungen der Handelspartner der USA – in den vergangenen fünf Jahren nur um 10% auf. Der Euro verlor gegenüber den Währungen der Handelspartner 16% am Wert. Vor diesem Hintergrund ist die Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar eher eine kleine Korrektur der vergangenen Aufwertung, als der Beginn eines Währungskrieges. Dieses wird auch von der Tatsache belegt, dass chinesische Unternehmen gerade einmal 2% ihres Umsatzes in den USA und Europa erzielen.
Den Rest erwirtschaften sie in Schwellenländern. Denn der effektive Wechselkurs des Yuan zu den Währungen anderer Schwellenländer, dürfte sich durch die Abwertung zum US-Dollar kaum verändert haben. China erzielt damit also keinen Wettbewerbsvorteil und kann damit auch das Wirtschaftswachstum nicht ankurbeln.
Drücken die Aktienmärkte China in die Rezession?
Die Verluste am chinesischen Aktienmarkt sind schmerzlich. Allerdings ist der sogenannte Wohlstandseffekt – fallende Aktienkurse schmälern das Vermögen der Verbraucher, die dann weniger ausgeben – in China bedeutend kleiner als in den USA. Das Privatvermögen der Chinesen wird dominiert von Sparkonten und Immobilienbesitz. Aktien machen gerade einmal einen Anteil von etwas mehr als 5% aus. Nebenbei bemerkt, zeigt der Immobilienmarkt in China Zeichen der Erholung.
Auch für die Unternehmensfinanzierung spielen die Aktienmärkte eine untergeordnete Rolle: weniger als 5% des Kapitals stammten aus Aktienemissionen.
Gegen die Annahme, die Kursverluste in China seien ein Hinweis auf eine Finanzkrise spricht außerdem, dass die Finanzwerte unter den chinesischen Aktien weniger verloren haben, als der breite Markt – ebenso wie die Werte mit hoher Marktkapitalisierung. Während der Finanzkrise 2008 verzeichneten die Bankaktien die größten Kursverluste – genauso die großen Werte in den Schwellenländern, in denen hauptsächlich ausländische Investoren aktiv waren.
Im Gegensatz zu 2007 gibt es in China aktuell auch einige stützende politische Faktoren: Die zunehmende Flexibilisierung des Wechselkurses des Yuan spiegelt eine stärkere Marktorientierung wieder. Zudem werden die Märkte stärker für ausländische Investoren geöffnet.
Ziehen die Schwellenländer die USA, Japan und Europa in die Rezession?
Der wirtschaftliche Wandel in China – weg von den Investitionen in Infrastruktur und Produktionskapazitäten hin zu mehr Dienstleistungen und Konsum – beinhaltet einen Rückgang der Nachfrage nach Rohstoffen. Damit kommen die rohstoffexportierenden Länder unter Druck, die in der Vergangenheit von der Nachfrage aus China profitiert haben. Außerdem belastet diese Länder der Verfall der Rohölpreise, in Folge des Kampfes Saudi Arabiens gegen die USA um Marktanteile auf dem Weltmarkt. Eine weitere Abschwächung der Konjunktur in den Schwellenländern ist daher denkbar.
Dies wirkt sich negativ auf die Unternehmen mit hohem Exportanteil aus, so auch auf Deutschland. Dagegen ist die US-Wirtschaft kaum vom Export abhängig. Und auch in der Eurozone treibt der Konsum das Wirtschaftswachstum an – was die Bundesbank im zweiten Halbjahr auch für Deutschland erwartet. Die Frühindikatoren im verarbeitenden Gewerbe, die am vergangenen Freitag veröffentlicht wurden, bestätigen die eher positiven Erwartungen für das Wirtschaftswachstum für die Industriestaaten in den kommenden sechs Monaten.
Schützen uns die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken gegen eine neue Krise?
Die Zentralbanken konnten mit ihrer Geldpolitik dazu beitragen, dass Anleger von steigenden Inflationsraten ausgingen. Doch der aktuelle Verfall des Ölpreises macht dies hinfällig. Damit werden eher weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen notwendig, als dass die ersten Leitzinsanhebungen der US-amerikanischen Fed und der Bank of England schnell umgesetzt werden können. Dies könnte den Marktteilnehmern gegenwärtig am stärksten auf den Magen schlagen.
Damit wird der Erfolg der geldpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre in Frage gestellt, die erheblich zur Stabilisierung des Finanzsystems beigetragen haben. Die Erwartung eines Aktiencrashs erscheint bei der Faktenlage dennoch nicht als gerechtfertigt. Neben der Geldpolitik haben vor allem die Sanierung des Bankwesens und die Entschuldung der US-Unternehmen und -Verbraucher erheblich zur Verbesserung der Situation beigetragen. Auch die Marktteilnehmer rechnen eher mit einer baldigen Beruhigung der Lage.
Während die implizite Volatilität für den kommenden Monat von 22,7% auf 29,2% deutlich angestiegen ist, bleibt die Volatilitätserwartung für die kommenden 12 Monate bei 22,5%. Und somit auf ähnlichem Niveau, wie in den vergangenen Wochen. Allerdings wurden mit den Kursbewegungen der letzten Tage wichtige charttechnische Unterstützungen gerissen. Damit bleibt die Situation kurzfristig vorerst instabil.
Wie sehen die Prognosen für die nächsten Monate aus?
Wir gehen mittelfristig von einer Beruhigung der Lage und die Rückkehr zu steigenden Märkten aus. Dennoch sollte man als Anleger folgende mögliche Risiken im Hinterkopf behalten:
- der Konjunkturabschwung in China könnte deutlich stärker ausfallen, als erwartet
- in den Schwellenländern könnte es zu sehr hohen Kapitalabflüssen kommen
- die Reformanstrengungen in der Eurozone reichen möglicherweise nicht aus
- die Krise in der Ukraine könnte sich erneut zuspitzen