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Revolution im Wertpapiergeschäft

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Enthusiast
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Registriert: 30.09.2014

In der FAZ von Martin Hock:

 

Die Blockchain macht das Unmögliche möglich: Werden Vermögenswerte digitalisiert, brauchen Anleger eigentlich keine Depots mehr.

Seit es Rechtsgeschäfte gibt, gibt es Verträge. Die Sumerer verbrieften im vierten Jahrtausend vor Christus Kredite dadurch, dass sie Abbilder der Schuld wie etwa einen Mini-Ölkrug in einer Tonkugel einschlossen. Wurde die Schuld bezahlt, wurde die Kugel geöffnet, der Vertrag mithin „gebrochen“ – was natürlich auch ohne Zahlung geschehen konnte, daher die negative Bedeutung des Vertragsbruchs.

 

Die Erfindung der Schrift machte alles einfacher. Die erste nachweisliche Aktie stammt aus dem Jahr 1288, und mit der Durchsetzung des modernen Drucks wurden gedruckte Wertpapiere zum Standard. Die Computerisierung und die Zunahme des Börsenhandels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sorgten dafür, dass die gedruckte Einzelurkunde zugunsten der von einer Wertpapiersammelbank treuhänderisch verwahrten Globalurkunde verschwand.

 

Die Aufbewahrung und der Austausch von Geld und Vermögenswerten muss dabei weitestgehend einem Dritten anvertraut werden. Damit ist das Finanzsystem auf Schlüsselstellen hin zentralisiert. Mit den Transaktionen verbundene Rechtsgeschäfte wie etwa die Kundenidentifizierung oder Stimmrechte bei Aktien müssen gar außerhalb des Systems geregelt werden.

 

Durch die Blockchain-Technik könnte nun abermals eine Revolution des Wertpapiergeschäfts, ja des gesamten Finanzsystems bevorstehen. Zum einen könnte dieses dezentralisiert werden, zum anderen könnten alle verbundenen Rechtsgeschäfte integriert werden.

 

Flexibler, schneller, billiger

Die Autoren des Liechtensteiner Blockchain-Netzwerks Area2Invest skizzieren das dezentrale System so: „Jeder Teilnehmer verfügt über eine eigene Wallet, sprich eine digitale Brieftasche, in der digitalisierte Geld- und Vermögenswerte gespeichert werden. Auch der Handel läuft direkt ab, die Rolle der Prüfstelle übernimmt die Blockchain, die sicherstellt, dass alle Beteiligten auch tatsächlich über die Kryptowerte verfügen, mit denen sie handeln wollen.“ Das sei nicht nur möglich, sondern auch flexibler, schneller und unkomplizierter. Und damit letztlich auch billiger. Ein wenig wäre dies auch eine Rückkehr zum alten System, als gedruckte Wertpapiere noch im heimischen Tresor lagern konnten.

 

Und das Potential ist immens. So skizzieren die Area2Invest-Autoren etwa die Zukunftsvision eines „algorithmischen Geldmarkts“. Kreditgeber könnten über die Blockchain vorhandene Kryptowährungsmittel zur Verfügung stellen. Aus diesem Pool könnten sich kreditwürdige Nutzer nach automatisierter Bonitätsprüfung Gelder leihen. Kreditgeber und -nehmer müssten die Bedingungen nicht mehr individuell aushandeln, sondern ebenfalls automatisiert über in der Blockchain gespeicherte „Smart Contracts“.

 

Damit würde das ganze System für die Nutzer nicht nur deutlich schneller und unkomplizierter. Da obendrein der Gläubiger der gesamte Geldmarkt sei, müssten Kredite auch nicht erst bei Fälligkeit zurückgezahlt oder eine vorzeitige Rückzahlung erst aufwendig ausgehandelt werden. Vielmehr könnte eine Tilgung jederzeit, auch teilweise aufwandslos erfolgen.

Digitale Abbilder von Vermögenswerten

Der Schlüssel dazu liegt in der sogenannten Tokenisierung von Vermögenswerten. Dazu werden digitale Abbilder eines Vermögenswertes geschaffen, bezeichnet als Security Token (ST). Dies sind Vermögenswert-Nachweise, die über ein reguliertes Anlageprodukt gewährte Eigentumsrechte nachweisen, die durch einen realen Vermögenswert besichert sind. Das können etwa Eigentumsanteile sein, etwa an Aktiengesellschaften oder an Immobilien oder das Recht auf eine Gewinnbeteiligung in Form eines Genussrechts oder Zins und Tilgung aus einer Anleihe.

 

Security Token ermöglichen es, das Eigentum an dem Vermögenswert theoretisch unendlich fein aufzuteilen. Sie unterscheiden sich damit grundsätzlich auch von den Token, die während der heißen Phase der oft – inkorrekt – als Emission von Kryptowährungen bezeichneten Angebote vor allem im Jahr 2018 ausgegeben wurden. Diese „Utility Tokens“ genannten Nachweise gewährten meist das Recht am Bezug einer (digitalen) Ware. Sie waren damit im Grunde nicht mehr als Waren-Gutscheine. Eine Kryptowährung hingegen ist ein digitales Tauschmittel, auf dem ein Token basiert – ähnlich wie der Wert einer Aktie oder eines Gutscheins in Euro ausgedrückt werden kann.

 

Da Security Token Vermögenswerte repräsentieren, gelten für ihren Erwerb grundsätzlich dieselben Vorschriften wie etwa für den Erwerb von Teilschuldverschreibungen oder Aktien aus einer Globalurkunde, etwa dass ihre Eigentümer und Besitzer eindeutig identifizierbar sein müssen. Sie sind daher im Grunde auch nicht weniger unsicher als traditionelle Wertpapiere. Im Gegenteil: Die Tokenisierung könne einen sichereren Austausch von Vermögenswerten und größere Transparenz bringen, hieß es unlängst von der Ratingagentur Standard & Poor’s.

 

 

 

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