Das zarte Pflänzchen der Erholung wird stärker – Wirecard und was bleibt außer den Verlusten?
In dieser Woche verdeutlichten aktuelle Wirtschaftsdaten, dass aus wirtschaftlicher Sicht das Tal wohl bereits durchschritten ist. Die Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone sind von ihren Tiefs wieder deutlich näher an die Marke von 50 Punkte gestiegen, welche die Grenze zwischen Wachstum und Kontraktion anzeigt. Auch der ifo Geschäftsklimaindex gibt Grund zu vorsichtigem Optimismus. Nicht nur bei den Unternehmen hellt sich die Stimmung auf, auch die Verbraucherstimmung stieg im Juni wieder deutlich an.
Der Sachverständigenrat, ein Gremium von Experten zu Politikberatung in Deutschland, hat seine Konjunkturprognose für Deutschland in dieser Woche aktualisiert. Als Verlauf rechnen die Ökonomen mit einem „ausgeprägten V“. Das reale BIP (Bruttoinlandsprodukt) in Deutschland dürfte in 2020 wohl um 6,5% schrumpfen und 2021 wieder um 4,9% wachsen. Die Arbeitslosenquote wird aber wohl in den kommenden Monaten weiter ansteigen und voraussichtlich erst im Jahresverlauf 2021 langsam wieder zurückgehen. Für den Euro-Raum rechnet der Sachverständigenrat in diesem Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 8,5%. Aber gleichzeitig weißen die Experten darauf hin, dass die Prognosen erheblichen Unsicherheiten unterliegen. Bei einer Verschärfung der COVID-19-Pandemie ist mit einer anhaltenden Schwächephase zu rechnen.
In der unten abgebildeten Grafik sind die neusten Schätzungen zum Wirtschaftswachstum des Internationalen Währungsfonds (IWF) abgebildet. Verglichen mit dem deutschen Sachverständigenrat sind die Ökonomen des IWF noch etwas pessimistischer was die Aussichten für 2020 angeht. Weltweit kann ein Rückgang der Wirtschaftskraft von -4,9% erwartet werden. Zudem rechnen die Experten, dass die Eurozone stärker als die USA betroffen sein wird. Die Erholung in 2021 wird stark von den Maßnahmenpaketen der Regierungen und Zentralbanken unterstützt und setzt voraus, dass die Pandemie schrittweiße unter Kontrolle gerät. Neue Infektionswellen wie sie derzeit in Südamerika, Asien und den USA auftreten können für weitere Revisionen sorgen.
Die Prognosen zeigen, dass der wirtschaftliche Abschwung 2020 ein Ausmaß erreicht, das seit dem 2. Weltkrieg nicht beobachtet wurde. Weder waren alle großen Volkswirtschaften der Welt gleichzeitig in der Rezession, noch fielen die Rezessionen so stark aus. Darüber hinaus wird auch deutlich, dass die einsetzende Erholung sehr dynamisch sein wird. Allerdings wird die Wirtschaftsleistung frühestens 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen. Arbeitnehmer werden wohl noch mehr Geduld brauchen, bis der Arbeitsmarkt sich vollständig erholt haben wird. Für Anleger heißt das, dass mittlerweile viel Optimismus in den Finanzmärkten eingepreist ist. Enttäuschende Wirtschaftszahlen könnten die positive Stimmung ins Wanken bringen und für kräftige Rücksetzer sorgen.
Die Schlagzeilen der Zeitungen wurden diese Woche vom Skandal um die Wirecard AG beherrscht. Nach dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden stellte der DAX Wert am Donnerstag einen Insolvenzantrag. Der Aktienkurs brach daraufhin ein und notierte im Tief bei 2,50 Euro. Zum Vergleich, am 09.April 2018 erreichte die Aktie ihr bisheriges Allzeithoch von 199,00 Euro. Die Unsicherheit rund um die Betrugsvorwürfe und die nicht existierenden Konten sollte Investoren abschrecken. Die Aktie dürfte jetzt ein Spielball der Spekulanten sein. Prognosen über die Werthaltigkeit der Technologie und das genaue Ausmaß des Schadens können nicht seriös erstellt werden. Die kreditgebenden Banken sind sich selbst darüber im Unklaren. Sie haben eine auf solche Fälle spezialisierte Unternehmensberatung eingeschaltet. Die Zugehörigkeit zum DAX wird die Aktie aller Voraussicht nach zu Anfang September verlieren. Gemäß den Indexregeln wird bei einem Insolvenzantrag zum nächsten quartalsmäßigen Turnus die Aktie aus dem Index entnommen. Nur im Falle einer Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse wird eine Aktie sofort aus dem Index entnommen. Erst am 22. Juni wurde die Deutsche Wohnen SE in den DAX aufgenommen nachdem die Deutsche Lufthansa AG in den MDAX abgerutscht ist.
Der Fall Wirecard zeigt aber erneut, wie wichtig die Verlustbegrenzung für Investoren und Trader ist. Wer ohne strikte Verkaufsdisziplin oder einen sinnvollen, der Volatilität angepassten Stop Loss gehandelt hat, hat wohl annähernd einen Totalverlust erlitten. Spannend war in den vergangenen Wochen zu beobachten, wie der Wert die Investoren polarisiert hat. Die Short-Positionen von spekulativen Marktteilnehmern haben Rekordwerte erreicht. Gleichzeitig haben Profiinvestoren wie die beiden Fondsmanager Tim Albrecht von der DWS und Nicolas Walewski von der Investment-Boutique Alken sehr hohe Engagements in Wirecard gehalten, dementsprechend stark haben ihre Fonds verloren. Ähnlich stark polarisiert verliefen die Diskussionen in verschiedenen Anlegerforen. Eines verdeutlicht der Fall Wirecard erneut: an der Börse gibt es keine Gewissheiten. Und egal wie stark man an die eigene Analyse und Prognose glaubt, man sollte bei seinem Portfolioaufbau immer damit rechnen, dass das Gegenteil passiert. Je stärker der Kurswert schwankt, desto niedriger sollte tendenziell sein Portfolioanteil sein.
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