Für das, was sich aktuell bei einigen Aktien abspielt, lassen sich viele Analogien in Filmen finden. Einfache Menschen lehnen sich gegen das (ungerechte) Establishment auf und tragen nach einem langen und harten Kampf den Sieg davon. So zum Beispiel auch bei Star Wars. Dort nimmt es eine Gruppe von Rebellen mit dem Imperium auf um die Galaxis zu befreien. Doch begeben wir uns aus einer Galaxie, weit, weit entfernt, ins hier und jetzt zurück.
Eine in der Finanzindustrie und insbesondere bei sog. Hedge Fonds weit verbreitete Art, um von fallenden Kursen zu profitieren sind sog. Leerverkäufe. Hierbei leiht sich ein Investor von einem anderen Aktien gegen eine geringe Leihgebühr (oft nur ein paar Basispunkte), um diese dann am Markt zu verkaufen. Wenn die Aktien tatsächlich fallen kann der Leerverkäufer die Aktien dann später billiger wieder zurückkaufen. Die Differenz zwischen Verkaufs- & Ankaufspreis verbleibt dann beim Leerverkäufer und er kann die Aktien an den ursprünglichen Besitzer zurückgeben.
Dieses Vorgehen wird mitunter sehr kritisch beurteilt. Ein wesentlicher Kritikpunkt hierbei ist, dass man die Leerverkäufe für den Kursverfall der Aktien und damit auch indirekt für wirtschaftliche Probleme der Firmen verantwortlich macht. Um im Eingangs gewählten Bild zu bleiben: Die Leeverkäufe sind also quasi so etwas wie der Todesstern und die Firmen der Planet Alderan. Weiterhin halten Kritiker diese Art des Investierens für unmoralisch, da Leerverkäufer an den Problemen anderer verdienen würden.
Dem kann man entgegenhalten, dass Leeverkäufer in der Regel nur Aktien von Firmen verkaufen, bei denen es bereits wirtschaftliche Probleme gibt, die für einen Aktienkursverfall verantwortlich sind bzw. diesen erwarten lassen.
In wie weit es sich hierbei jedoch um Kausalität oder Korrelation handelt, soll an dieser Stelle ebenso wenig beurteilt werden wie die Geschäfte insgesamt. Diese Argumente sind dennoch wichtig zu kennen, da diese von den Rebellen (Kleinanlegern) ins Feld geführt werden, um das Vorgehen gegen das Imperium (Finanzindustrie) zu rechtfertigen.
Im gleichen Maße wie ein Leerverkäufer davon profitiert, dass der Aktienkurs fällt, leidet er, auch wenn der Aktienkurs steigt. In diesem Fall muss er die Aktien teurer kaufen (eindecken) um sie dem Leihgeber zurückzugeben. Oft ist es auch so, dass neben der Gebühr für das Leihgeschäft zusätzliche Sicherheiten gestellt werden müssen um das Geschäft abzusichern. Wenn die geliehenen Aktien nun steigen, müssen auch die Sicherheiten erhöht werden (sog. Margin Call). Hieraus ergibt sich dann für den Leerverkäufer eine ganze Reihe von Problemen. Neben der allgemeinen Frage, wann man seine Verluste begrenzen und die Position eindecken soll, ist auch das Vorhandensein von Sicherheiten ein elementarer Faktor. Schließlich kann der Leihgeber die Rückgabe der Aktie verlangen, wenn nicht ausreichend Sicherheiten vorhanden sind.
Wenn nun viele Leerverkäufer im selben Wert aktiv sind und dieser unerwartet (stark) steigt, so können diese Eindeckungskäufe einen Spiraleffekt nach oben auslösen. Je höher der Wert steigt, desto weniger Leerverkäufer können ihre Position weiter halten und müssen kaufen. Diese Käufe treiben dann die Kurse weiter nach oben, was wiederum weitere Leerverkäufer zwingt, Aktien zu kaufen.
Und genau hier setzten die Rebellen aktuell an. Wenn man so möchte, haben sie – indem sie diesen Zusammenhang begriffen haben – die Baupläne für den Todesstern entdeckt und die Schwachstelle gefunden. In diversen Internetforen werden zurzeit Aktien diskutiert, bei denen ein sehr großes Engagement von Leerverkäufen besteht. Man verabredet sich dann dazu, diese Werte zu kaufen um die oben beschriebene Aufwärtsspirale in Gang zu setzten und die Leerverkäufer zum Eindecken zu zwingen. Eine solche Situation wird gemeinhin auch als „Short-Squeeze“ bezeichnet.
Diese Short-Squeezes haben mitunter zu Kursgewinnen von > 1000 % innerhalb weniger Tage geführt. Innerhalb des Marktbreiten Russel 3000 in den USA haben die 30 Aktien mit dem höchsten Anteil von Leerverkäufen bezogen auf die frei handelbaren Aktien in den letzten 10 Tagen um durchschnittlich ~83 % zugelegt, wohingegen der Index selber um 1,6 % gefallen ist.
Wenig überraschend gibt es dann mittlerweile erste Hedge Fonds, die Kurseinbrüche von mehr als 30 % zu verzeichnen haben. Der Todesstern scheint also tatsächlich zerstört und die Galaxie gerettet.
Während bei Star Wars nun der Sieg über das Imperium gefeiert wird, müssen wir uns im hier und heute jedoch die Frage stellen wann es heißt: Das Imperium schlägt zurück bzw. ob dieser Sieg nicht sogar ebenso Fiktion ist, wie die von George Lucas entworfene Film-Reihe.
Um diese Fragen zu beantworten, sollte man sich Folgendes in Erinnerung rufen: Richtig ist, dass die Aussicht auf derart hohe Kursgewinne verlockend sein können. Richtig ist ebenso, dass auf Grund der o.g. Systematik das System vermeintlich narrensicher zu sein scheint ... ABER es gilt ebenso zu beachten, dass es sich meist um Unternehmen handelt, deren Aktienkurse auf Grund realer wirtschaftlicher Probleme „am Boden“ lagen und der Kursanstieg ausschließlich durch einen Short Squeeze zu Stande kam. An den zu Grunde liegenden Fundamentaldaten hat sich also NICHTS geändert, so dass man feststellen muss, dass diese Kursbewegungen vollkommen unverhältnismäßig sind. In der Konsequenz heißt das, dass es nach dem Short Squeeze keinen Grund mehr gibt, die betroffenen Aktien zu überhöhten Kursen zu kaufen, so dass die Nachfrage vermutlich einbrechen wird. Gleichzeitig ist dann mit erhöhtem Verkaufsdruck zu rechnen, da Investoren Gewinne sichern oder (falls man „zu spät“ gekauft hat) Verluste begrenzen möchten. In einer solchen Situation kann der Kursverfall dann noch schneller erfolgen als der vorherige Anstieg und die Aktien sprichwörtlich ins Bodenlose stürzen lassen.
Ein weiterer Aspekt, den Investoren beachten sollten, ist die Frage, ob es sich bei dem o.g. Vorgehen nicht sogar um eine Form der Marktmanipulation handeln könnte, also sogar potentiell strafrechtlich relevant wäre. Ob dem so ist, können nur und müssen letztendlich die Gerichte beurteilen. Allerdings zeigt bereits der Umstand, dass man das Vorgehen entsprechend interpretieren könnte, die Brisanz des Themas auf.
Ob man sich nun „der Rebellion“ anschließen und auf den fahrenden Zug aufspringen soll, liegt in der individuellen, persönlichen Verantwortung. Sollte man jedoch diese Entscheidung treffen (und dies ist KEIN Ratschlag es zu tun), so erscheinen die Einhaltung folgender Regeln ratsam: Investoren sollten nur Geld investieren, bei dem sie einen Totalverlust hinnehmen könnten und lieber früher als später die Positionen schließen. Idealerweise sollte es auch in Erwägung gezogen werden, Stop-Orders einzusetzen und eng zu beobachten. Denn eines vermag an der Börse selbst „die Macht“ nicht zu negieren: „Auch was bereits um 90 % gefallen ist, kann sich immer noch im Kurs halbieren.“
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