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Sentiment-Analyse: Wie ist die Stimmung an der Börse?

12.09.2023 08:55

„Sei gierig, wenn andere ängstlich sind und ängstlich, wenn andere gierig sind“ – so lautet eine Empfehlung von Star-Investor Warren Buffet für das Investieren an der Börse. Damit spricht er einen wichtigen Punkt an, die Marktstimmung, auch Sentiment genannt.

 

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Käufe oder Verkäufe, beispielsweise von Aktien, können Ausdruck von Emotionen wie Gier oder Angst sein. Situationen, in denen die Märkte von solchen Emotionen geprägt werden, gibt es immer wieder: Der Run auf Aktien am Neuen Markt in Deutschland um die Jahrtausendwende (Gier, Euphorie), die Kursverluste nach den Anschlägen auf das World Trade Center, während der Finanzkrise oder des Corona-Crashs (Angst, Panik) oder der jüngste Hype um Aktien von Unternehmen mit KI-Aktivitäten.

 

 

Diese Sentiment-Indikatoren sollten Sie kennen

 

Doch wie können Anlegende die aktuelle Stimmung an den Märkten erkennen? Hilfe bieten Sentiment-Indikatoren wie der Fear & Greed Index und Sentiment-Erhebungen von Anbietern wie der Börse Frankfurt, sentix, der American Association of Individual Investors (AAII) oder animusX. Auch die Titelseiten von Tageszeitungen können Hinweise auf die Stimmung an der Börse geben.

 

 

Fear & Greed Indikator liefert Informationen zum US-Markt

 

Für Anlegende, die verstärkt in US-Unternehmen beispielsweise aus dem Dow Jones investieren, kann der Fear & Greed Index des US-Nachrichtensenders CNN eine nützliche Hilfe sein, die Marktstimmung einzuschätzen. Seine Popularität verdankt der Indikator der umfangreichen Methode, mit der das Sentiment berechnet wird. Hierbei kommen sieben Teilindikatoren zum Einsatz:

  • Momentum des Marktes:
    Dynamik der Kursbewegung ermittelt anhand des S&P 500 und seines 125-Tage Gleitenden-Durchschnitts (durchschnittliches Kursniveau unter Berücksichtigung der letzten 125 Handelstage).
  • Stärke der Aktienkurse:
    Vergleich der Zahl von Aktien, die ein neues 52-Wochen-Hoch bzw. 52-Wochen-Tief erreicht haben. Erreichen deutlich mehr Aktien ein Hoch als ein Tief, ist dies ein Zeichen für Gier.
  • Marktbreite:
    Handelsvolumen der Aktien, die steigen, verglichen mit dem Handelsvolumen der Aktien, die fallen. Ein abnehmendes Handelsvolumen gilt als Signal für Furcht.
  • Verhältnis von Put- und Call-Optionen:
    Verhältnis der Handelsvolumina von Kaufoptionen (Call, Erwartung steigender Kursnotierungen) und Verkaufsoptionen (Put, Erwartung fallender Kursnotierungen). Steigt das Verhältnis von Puts zu Calls, gilt dies als Zeichen von Nervosität und Angst.
  • Schwankungsbreite des Marktes:
    Der Volatilitätsindex VIX misst die erwarteten Preisschwankungen der Optionen auf den S&P 500 Index in den nächsten 30 Tagen.
  • Nachfrage nach sicheren Anlagen:

    Renditeunterschiende zwischen Aktien und Anleihen in den vergangenen 20 Tagen. Entwickeln sich Anleihen besser als Aktien wird dies als Zeichen von Furcht gewertet.

  • Nachfrage nach Anleihen von Emittenten mit geringer Kreditwürdigkeit (Junk Bonds):
    Eine geringerer Unterschied zwischen den Renditen von Junk Bonds und sicheren Staatsanleihen signalisiert eine höhere Nachfrage nach den risikoreichen Junk Bonds und signalisiert Gier.

Der Fear & Greed Index misst, wie stark jeder einzelne Teilindikator aktuell von seinem Durchschnittswert abweicht und wie stark er normalerweise abweicht. Die Ergebnisse werden jeweils zu gleichen Teilen berücksichtigt, um für den Fear & Greed Index eine Punktzahl von 0 bis 100 zu errechnen. Während 100 Punkte maximale Gier anzeigen, signalisieren 0 Punkte maximale Angst. Ein Wert von 50 bedeutet ein neutrales Niveau. Obwohl sich der Fear & Greed Index auf den US-Markt bezieht, bietet er auch Anlegenden in Europa einen Mehrwert, denn die US-Börsen haben eine Leitfunktion für die Finanzmärkte auf der ganzen Welt.

 

 

Der Sentiment-Indikator der Börse Frankfurt

 

Ergänzend zum Fear & Greed Index gibt es eine Reihe weiterer Indikatoren, die Anlegenden Informationen über die aktuelle Stimmung auch am deutschen Markt und für den DAX geben. Ein Beispiel ist der Sentiment-Indikator der Börse Frankfurt. Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass Anlegende, die positiv gestimmt (bullisch) sind, sich für steigende Kursnotierungen positioniert haben. Bei Anlegenden, die negativ gestimmt sind, wird davon ausgegangen, dass sie sich für fallende Kursnotierungen positioniert haben. Der Sentiment-Index der Börse Frankfurt bewegt sich in einer Spanne zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus). Die Nulllinie markiert eine neutrale Einschätzung. Für die Ermittlung des Indikators werden immer dienstags sowohl institutionelle als auch private Anlegende zu ihrer Markterwartung befragt. Der Fokus liegt auf Veränderungen in den Markterwartungen, aus denen sich Hinweise auf Einstandspreise und „Schieflagen“ der Anlegenden ergeben können. Die Analyse und Interpretation der Ergebnisse übernimmt mit Joachim Goldberg ein erfahrener Experte der verhaltensorientierten Kapitalmarktanalyse (Behavioral Finance).

 

 

Sentix bietet umfangreiche Informationen zum Sentiment

 

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die wöchentlich von sentix erhobene Umfrage unter privaten und institutionellen Kapitalmarktakteuren. Hier wird nach der Einschätzung für verschiedene Indizes und Anlageklassen gefragt. Auch konjunkturelle Aspekte werden abgefragt. Die Umfrage erfolgt per Mail im Zeitraum von Donnerstag bis Samstag. Im Gegenzug für die Teilnahme gibt es detaillierte Auswertungen der aktuellen Umfrageergebnisse. Diese liegen bereits zum Start in die neue Börsenwoche vor. Die Informationen zur Stimmung der Anlegenden werden von sentix bereits seit 2001 erhoben, womit die Indikatoren über eine weitreichende Datenbasis verfügen. Zudem repräsentieren allein die über 1.000 institutionellen Teilnehmenden ein verwaltetes Vermögen von mehr als 500 Mrd. Euro. Daher werden die sentix-Daten von vielen Marktteilnehmern aufmerksam verfolgt.

 

 

Was verraten die Titelseiten über die Stimmung an der Börse?

 

Zu den Sentiment-Indikatoren zählt auch der sogenannte Titelseiten-Indikator. Dieser bezieht sich auf die Titelseiten von Tageszeitungen und Zeitschriften, die sich dem Geschehen an den Märkten für gewöhnlich nur im Wirtschaftsteil und in begrenztem Umfang widmen (keine Wirtschaftsmedien). Berichten solche Publikationen auf der ersten Seite auf einmal über eine Rally oder einen Crash an den Börsen, kann dies als Zeichen für Euphorie oder Panik gewertet werden.

 

 

Wie funktioniert Sentiment-Analyse?

 

Sentiment-Indikatoren werden in der Regel als Kontraindikator verwendet. Dahinter steckt folgende Annahme: In einer von Gier geprägten Stimmung erwartet die Mehrheit am Markt weiter steigende Kurse und hat sich entsprechend positioniert. Haben viele Anlegende in großem Umfang investiert, lässt der Zufluss von neuem Kapital als treibenden Faktor für weitere Kurszuwächse nach. Auf der anderen Seite kann das Auftreten von Panik und Resignation („Nie wieder Börse!“) als Zeichen dafür gewertet werden, dass viele Anlegende ihre Positionen um jeden Preis verkaufen wollen oder dies bereits getan haben. Dadurch sollte in naher Zukunft der Verkaufsdruck nachlassen.

 

Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass sich aus den Sentiment-Indikatoren keine Rückschlüsse ziehen lassen, wie lange eine Phase der emotionalen Übertreibung anhält und ob bzw. wann eine Trendwende erfolgt. John Maynard Keynes, britischer Ökonom, hat das einmal folgendermaßen formuliert: "Markets can stay irrational longer than you can stay solvent.“

Die aktuelle Marktstimmung kann somit nur ein Baustein für Handelsentscheidung sein und sollte mit weiteren Ansätzen wie der fundamentalen oder technischen Analyse ergänzt werden. Zeigen beispielsweise Aktienkennzahlen eine hohe Bewertung an und herrscht am Markt eine sehr optimistische oder von extremer Gier geprägte Stimmung, kann es nicht schaden, sich über die Sicherung bestehender Gewinne Gedanken zu machen. Ebenso kann nach starken Kursrückgängen bei Aktien und einer extremen pessimistischen Stimmung am Markt nach neuen Investmentchancen Ausschau gehalten werden.