Kein deutscher Automobilhersteller hat in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg mit Marken wie Käfer, Golf oder VW Passat das deutsche Straßenbild so geprägt wie der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen (VW). Noch im Jahr 2024 war Volkswagen mit 536.888 Neuzulassungen der Fahrzeughersteller mit den meisten Pkw-Zulassungen in Deutschland.1
- - Konkurrenz aus China setzt Volkswagen sowohl in China als auch auf den westlichen Märkten unter Druck.
- - Volkswagen fokussiert sich auf das Thema Elektromobilität und erweitert die Entwicklungs- und Produktionskapazitäten in China.
- - Volkswagen will 2025 weiter wachsen und den Konzernumsatz steigern.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Nachdem der Imageschaden durch den Dieselskandal einigermaßen überwunden war, setzte die Mobilitätswende VW unter Druck. Durch neu in den Markt eingetretene Hersteller, insbesondere aus China, hat sich der Wettbewerb verschärft. Gleichzeitig sinken die Absatzzahlen in wichtigen Märkten wie den USA oder China. Wie der Vorstand mit diesen Herausforderungen umgeht und den Konzern strategisch neu ausrichtet, wird entscheidend für die Zukunft von VW sein.

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Volkswagen im Überblick: Gründung, Geschichte, Marken
Der Ursprung des heutigen Volkswagen-Konzerns geht auf das Jahr 1937 zurück, als die Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH gegründet wurde. Ziel war es, ein Auto zu entwickeln und zu bauen, das für die breite Masse erschwinglich sein und weniger als 1.000 Reichsmark kosten sollte. Mit der Leitung des Projekts wurde Ferdinand Porsche betraut. 1938 erfolgte die Umbenennung in Volkswagenwerk GmbH.
Nach Kriegsende begann unter britischer Militärverwaltung die Serienproduktion des von Ferdinand Porsche entwickelten VW Käfers, der sich als Erfolgsmodell erwies und 1972 das meistgebaute Auto der Welt war.2
Am 22. August 1960 wurde die Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 60 % der Stammaktien wurden an Privatanleger ausgegeben, jeweils 20 % behielten der Bund und das Land Niedersachsen. Das VW-Gesetz vom 21. Juli 1960 begrenzte die Stimmrechte eines einzelnen Aktionärs auf 20 % und schützte so vor feindlichen Übernahmen. Nach sinkenden Absatzzahlen beim Käfer überarbeiteten und diversifizierten die Wolfsburger ihre Modellpalette und führten in den 1970er Jahren unter anderem Erfolgsmarken wie den Golf und den Passat ein.
Der ersten großen Übernahme von Audi im Jahr 1965 folgten weitere Markenzukäufe wie Seat (1986) und Skoda (1991). Zudem baute VW seine Position im Luxussegment mit den Übernahmen von Bentley, Bugatti oder Lamborghini (1998) aus. Im Jahr 2012 wurde auch der Sportwagenhersteller Porsche übernommen, nachdem der Versuch von Porsche, die weitaus größere Volkswagen AG zu übernehmen, gescheitert war. Zum Volkswagen-Konzern gehören außerdem noch Nutzfahrzeugmarken wie MAN, Scania oder Navistar.3
Aktuelle Herausforderungen: Mobilitätswende, Absatzkrise, autonomes Fahren
Nicht erst mit der Krise nach dem Dieselskandal hat bei Volkswagen ein tiefgreifender Konzernumbau begonnen. Denn durch die Mobilitätswende stagniert der Absatz traditioneller Verbrennermodelle, während vor allem chinesische Elektroautobauer mit günstigen Fahrzeugen den Wettbewerbsdruck erhöhen. Dies bekommt VW insbesondere auf dem wichtigen chinesischen Markt zu spüren, wo der Autobauer derzeit mit deutlichen Absatzrückgängen zu kämpfen hat.4
Neben dem harten Wettbewerb in China machen VW aber auch die gesunkene Konsumlaune in Europa und den USA sowie die stark gestiegenen Kosten zu schaffen. So brach das Konzernergebnis im ersten Quartal 2025 um knapp 41 % ein.5
Und auch beim Zukunftsthema autonomes Fahren geben andere Konzerne wie Waymo (gehört zu Alphabet) oder Tesla weiterhin den Takt vor. Volkswagen versucht hier, mit Kooperationen wie die im März 2025 angekündigte Zusammenarbeit mit Mobileye und Valeo, fortschrittliche Fahrassistenzsysteme zu entwickeln, um die kommende Fahrzeugpalette bis auf Level 2+ (erweitertes teilautomatisiertes Fahren) aufzurüsten.6
Zukunftsstrategie: E-Mobilität
Mit der Neuausrichtung der Konzernstrategie fokussiert sich Volkswagen inzwischen auf die Elektromobilität. Dazu wurde die MEB-Plattform (Modularer E-Antriebs-Baukasten) konzipiert, auf der die rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge der ID-Familie aufsetzen. Nachdem 2020 mit dem VW ID.3 das erste reine MEB-Elektrofahrzeug vorgestellt wurden7, folgten bis heute der ID.4, der ID.Buzz, der ID.5 und der ID.7. Mit weiteren geplanten Fahrzeugen der ID-Reihe will VW wieder eine führende Rolle in der Elektromobilität einnehmen.
Mit der Gründung der Softwaretochter CARIAD im Jahr 2020 möchte Volkswagen auch im Bereich Software und Digitalisierung zu den Wettbewerbern aufschließen. Ziel ist es, eine einheitliche Softwareplattform für den gesamten VW-Konzern zu entwickeln und den Eigenanteil von Software in VW-Fahrzeugen auf bis zu 60 % zu erhöhen.8
China: wichtigster Absatzmarkt bleibt im Fokus
Darüber hinaus arbeitet CARIAD auch an KI-basierten automatisierten Fahrsystemen. Ein speziell für den chinesischen Markt und seine komplexen Verkehrsumgebungen entwickeltes selbstlernendes System wurde auf der Automobilmesse Auto Shanghai vorgestellt.9
Insgesamt konzentriert sich Volkswagen weiterhin auf den chinesischen Markt und setzt hierbei auf die Strategie „In China, für China“. Fahrzeuge werden in China für den lokalen Markt entwickelt und gebaut. So will VW den Rückstand zu den chinesischen Wettbewerbern aufholen. Durch die Entwicklung und Produktion vor Ort kann der Konzern schnell auf die marktbestimmenden Trends in China und die dortigen Kundenwünsche reagieren. Die ersten Modelle der neuen Marke AUDI und Volkswagen werden noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Rund 20 vollelektrische und elektrifizierte Modelle sind für den chinesischen Markt bis zum Jahr 2027 geplant.10
Ein Blick auf die Zahlen: niedriger Gewinn trotz Rekordumsatz
Trotz der bereits beschriebenen Herausforderungen, vor denen VW steht, konnte der Automobilkonzern in den vergangenen fünf Geschäftsjahren seinen Umsatz steigern und im Jahr 2024 mit 324,66 Mrd. Euro sogar einen neuen Rekordumsatz erzielen.
VW-Konzernumsatz in Millionen Euro

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Daten aus den Geschäftsberichten 2015 bis 2024
Da die Fixkosten im Vergleich zum Vorjahr jedoch deutlich gestiegen sind, ging 2024 das operative Ergebnis um rund 15 % auf 19,06 Mrd. Euro zurück. Die operative Umsatzrendite sank entsprechend von 7,00 % auf 5,90 %. Nach Steuern verdiente VW im Geschäftsjahr 2024 mit 12,39 Mrd. Euro rund 5,47 Mrd. Euro weniger als im Vorjahr.
Die Vorzugsaktionäre sollen für 2024 eine Dividende von 6,36 Euro je Aktie erhalten (2023: 9,06 Euro), die Stammaktionäre 6,30 Euro je Aktie (2023: 9,00 Euro).
Aufgrund der unverändert hohen Investitionen in Zukunftstechnologien und die E-Mobilität sowie des Rückgangs des operativen Ergebnisses lag der Netto-Cashflow im Bereich Automobile 2024 mit 5,01 Mrd. Euro deutlich unter dem Vorjahreswert von 10,70 Mrd. Euro.
Mit insgesamt 9,03 Millionen verkauften Fahrzeugen lag der Fahrzeugabsatz 2024 rund 3,47 % unter dem Wert von 2023 (9,36 Millionen).
Operatives Ergebnis und Konzernergebnis 2015 – 2024

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Daten aus den Geschäftsberichten 2015 bis 2024
Positiv entwickelte sich dagegen der Auftragseingang für vollelektrisch betriebene Fahrzeuge in Westeuropa, der 2024 um 88 % zulegte.
Im laufenden Geschäftsjahr will Volkswagen weiter wachsen und den Konzernumsatz um bis zu 5 % steigern. Die operative Umsatzrendite soll zwischen 5,50 und 6,50 % liegen.11
Besondere Herausforderungen entstehen durch politische Unsicherheiten, wachsende Handelshemmnisse, geopolitische Spannungen, einen zunehmenden Wettbewerbsdruck sowie schwankende Rohstoff-, Energie- und Wechselkurse. Zusätzlich belasten strengere Emissionsvorgaben die Branche.
Volkswagen an der Börse: Kursverluste und Rückgang der DAX-Gewichtung
Die schwierigen Zeiten für die deutschen Automobilhersteller haben bei den im DAX notierten Volkswagen-Vorzugsaktien ihre Spuren hinterlassen. Aufgrund der Kursverluste ist die Marktkapitalisierung der Volkswagen AG in den letzten Jahren deutlich auf aktuell rund 49 Milliarden Euro gesunken. Damit hat sich auch die Gewichtung der VW-Vorzugsaktien im DAX verringert. Die Aktien werden daher von Indexfonds oder ETFs, die den DAX abbilden, weniger stark nachgefragt. Bei Indexanpassungen besteht zudem das Risiko, dass die gesunkene Marktkapitalisierung die Indexzugehörigkeit gefährdet. Für die Volkswagen Vorzugsaktie mit Indexplatz 13 dürfte diese Gefahr derzeit jedoch gering sein.12
Quellen:
1 Das Kraftfahrt-Bundesamt (https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Marken_Hersteller/markenHersteller_node.html)
2 NDR (https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/VW-Kaefer-Vom-Alliierten-Auftrag-zum-meistgebauten-Auto-de...)
3 Volkswagen Group (https://www.volkswagen-group.com/de/volkswagen-chronik-17351/1934-bis-1937-der-deutsche-volkswagen-a...)
4 Volkswagen Goup (https://uploads.vw-mms.de/system/production/files/cws/041/123/file/7c3f3af7d795459fde22aafdce93c9962...)
5 Volkswagen Goup (https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-konzern-mit-gemischtem-start-ins-g...)
6 Volkswagen Group (https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-konzern-kooperiert-mit-valeo-und-m...)
7 Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/VW_ID.3#:~:text=Anfang%20Dezember%202022%20zeigte%20Volkswagen,März%20...)
8 Volkswagen Group (https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-staerkt-neue-software-organisation...)
9 Volkswagen Group/CARIAD (https://cariad.technology/de/en/news/stories/volkswagen-group-in-china-presents-new-ai-powered-adas-...)
10 Volkswagen Group (https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-konzern-startet-zur-auto-shanghai-...)
11 Volkswagen Group (https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-group-mit-solidem-jahresergebnis-2...)
12 CompaniesMarketCap (https://companiesmarketcap.com/de/dax/groesste-unternehmen-nach-marktkapitalisierung/)