Neuer Tiefststand bei den Leitzinsen im Euro-Raum: Was bedeutet das für Sie? Und wie können Sie Ihr Geld trotzdem noch rentabel anlegen?
Die Europäische Zentralbank hat Anfang Juni 2014 den Leitzins auf 0,15 Prozent und ihrer Sitzung am 4. September erneut auf 0,05% gesenkt. Von einem „Schock für die Sparer“ sprechen die Finanzexperten. Von einem „Kahlschlag“ war gar in der Bild-Zeitung die Rede. Aber was genau ist der Leitzins überhaupt? Ist seine Senkung für Ihre persönlichen Finanzen wirklich so verheerend, wie es die Presse vermeldet? Und warum steigen häufig die Aktienkurse, wenn der Leitzins sinkt? Das erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was der Leitzins ist und wer ihn festlegt
Der Leitzins ist der entscheidende Zinssatz innerhalb eines Währungsraums. Festgelegt wird er von der zuständigen Zentralbank. Im Euro-Raum ist das die Europäische Zentralbank, abgekürzt EZB. Im Dollar-Raum ist das die US-Notenbank, auch Federal Reserve oder kurz Fed genannt. Auch in anderen Währungsräumen (z. B. Japan) gibt es Zentralbanken, die den Leitzins festlegen.
„Hauptrefinanzierungssatz“: Was die Banken für geliehenes Geld zahlen (müssen)
Der Leitzins nennt sich im Fachjargon der Banken auch „Hauptrefinanzierungssatz“. Er besagt, wie viel die Geschäftsbanken mindestens an die EZB zahlen müssen, wenn sie sich dort Geld leihen, sich also refinanzieren wollen. Das tun sie beispielsweise, wenn das Geld ihrer Kunden, das auf ihren Bankkonten liegt, nicht ausreicht, um die beabsichtigten Kredite an Unternehmen und Häuslebauer zu vergeben.
Leiht sich eine Geschäftsbank Geld bei der EZB, gibt es dazu ein Bieterverfahren: Wer für das geliehene Geld am meisten bietet, wird zuerst bedient. Wer am wenigsten bietet, muss von der angebotenen Geldmenge das nehmen, was übrig bleibt, wenn die Bedürfnisse aller anderen Banken erfüllt worden sind. Der Leitzins bildet dabei die Untergrenze, bei der das Bieten startet (so ähnlich wie bei Ebay das Mindestgebot).
Niedriger Leitzins heißt: Geld ist günstig
Von Ihren eigenen Krediten wissen Sie: Geliehenes Geld ist nicht kostenlos zu haben. Als Preis fürs Geldleihen zahlen Sie den Sollzins an die Bank. Je niedriger die Sollzinsen, desto günstiger ist der Kredit. Dann geraten Sie am ehesten in Versuchung, sich Geld für eine Anschaffung zu leihen.
Bei den Geschäftsbanken als „Kunden“ der Zentralbank ist das ganz ähnlich: Wenn die Leitzinsen niedrig sind, ist es für sie günstig, sich Geld bei der Zentralbank zu leihen. Geld, das sie dann beispielsweise wieder einsetzen können, um Kredite an Kunden zu vergeben – selbstverständlich zu einem höheren Zinssatz.
Wie sich der Leitzins auf Ihre Soll- und Guthabenzinsen auswirkt
Jetzt fragen Sie sich sicher, wie sich der Leitzins auf Sie als Bankkundin bzw. -kunde und Ihre Finanzen auswirkt. Ganz einfach: Wie hoch Ihre Soll- und Guthabenzinsen sind, hängt vom Leitzins ab. Dabei gelten folgende Grundsätze:
• Je höher die Leitzinsen, desto teurer ist ein Kredit, je niedriger desto günstiger.
• Je höher die Leitzinsen, desto höher sind die Guthabenzinsen auf Ihrem Spar-, Tagesgeld- und Girokonto, je niedriger, desto geringer.
Für Kreditnehmer sind die aktuell so niedrigen Leitzinsen damit eine gute Nachricht. Denn ihre Kredite werden dadurch günstiger. Allerdings wirken sich niedrige Leitzinsen vorrangig auf den Neuabschluss von Haus- und Ratenkrediten aus. Bei Dispo- und ungenehmigten Überziehungskrediten schlagen die Leitzinsänderungen der Europäischen Zentralbank längst nicht so durch. Bedenken Sie aber, dass die Zinshöhe auch von der Zahlungsfähigkeit (Bonität, belegt durch die Einträge bei der Schufa) und von den gebotenen Sicherheiten abhängt.
Niedrigere Sollzinsen sind übrigens auch der Grund, warum Leitzinsen gesenkt werden: Das kurbelt im Idealfall die Konjunktur an. Denn zum einen sind die günstigen Finanzierungen für Verbraucher ein Anreiz, sich mehr auf Kredit zu kaufen. Zum anderen sind sie für Unternehmen ein Lockmittel für kreditfinanzierte Investitionen.
Beispielsweise in neue Maschinen, Unternehmensstandorte oder Fahrzeugflotten.
Für Sparer sind die niedrigen Leitzinsen dagegen eine schlechte Nachricht. Denn die Bank zahlt weniger für Guthaben, das Sie auf einem Spar-, Festgeld- oder Tagesgeldkonto parken. Und tatsächlich sehen Sie nach einer Senkung der Leitzinsen meist sehr schnell, dass die Banken auch die Guthabenzinsen senken.
Das Gleiche gilt übrigens für Anleihezinsen. Auch sie hängen am „Tropf“ des Leitzinses und sinken, wenn der Leitzins sinkt.
Warum steigen die Aktienkurse, wenn die Leitzinsen sinken?
Die Börsianer verfolgen jede Änderung des Leitzinses mit Spannung. Sie werden häufig erleben, dass nach mehreren Leitzinssenkungen die Aktienkurse in die Höhe schnellen, nach einer Reihe von Steigerung dagegen in die Tiefe rauschen. Warum ist das so?
Ganz einfach: Weil Anleger immer nach der rentabelsten Geldanlage suchen. Lohnen sich festverzinsliche Geldanlagen (Anleihen, Sparkonten etc.) wegen der niedrigen Guthabenzinsen kaum mehr, dann wird mehr Geld in Aktien gesteckt.
Steigen die Leitzinsen dagegen wieder, ist der umgekehrte Effekt zu beobachten. Denn die Anleger sagen sich: Warum sollte ich mein Geld in risikoreiche Aktien stecken, wenn ich doch mit risikoarmen Bankkonten und Anleihen mein Geld sehr viel sicherer und dennoch rentabel anlegen kann?
Niedrige Leitzinsen: Was Sie tun können, um trotzdem rentabel anzulegen
Der wichtigste Tipp lautet: Legen Sie Ihr Geld nicht einfach nur auf ein Bankkonto. Ob Sparkonto, Festgeld oder Tagesgeld – das bringt zu wenig, um auch nur die Kaufkraft des angelegten Geldes zu erhalten. Sinnvolle Alternativen sind Aktien oder Aktienfonds, letztere auch in Form von Fondssparplänen.
Das Verlustrisiko können Sie durch einen langen Anlagehorizont und sorgfältige Auswahl minimieren. Aber auch für defensive Anleger bieten sehr flexible Anleihefonds oder vermögensverwaltende Fonds eine Alternative. Jedoch muss man auch bei diesen Lösungen bereit sein ein begrenztes Risiko einzugehen.