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Investitionspotenzial in Ost- und Mitteleuropa

10.09.2015 14:17

 

Die ehemaligen Staaten des Ostblocks sind seit ihrem EU-Beitritt attraktive Zielländer für Investitionen deutscher Unternehmer.

 

Fast 10 % der Investitionen deutscher Unternehmen fließen aktuell in den mittel- und osteuropäischen Markt, d. h. in neue EU-Länder (Beitritt seit 2004) und die westlichen Balkanstaaten. Russland und die Ukraine sind aufgrund der politischen Lage etwas geschwächt und der große Boom scheint hier vorbei zu sein. In den anderen Staaten liegen die Wachstumschancen noch immer etwa 1 % über dem Westeuropas.


Nicht nur niedrige Arbeitskosten vor Ort und eine hohe Produktivität spielen bei der Standortwahl eine Rolle, auch Qualität und Verfügbarkeit lokaler Lieferanten sind in den Staaten hoch. Gleichzeitig treibt das verlangsamte Wirtschaftswachstum in mehreren BRICS- und Schwellenländern sowie der Fachkräftemangel vieler Wachstumsmärkte die Investoren nach Mittel- und Osteuropa (MOE).

 

Der Standort ist dabei nicht nur als Investitionsziel interessant, sondern bietet künftig zusätzliche Absatzmärkte. Polen ist dabei laut einer Umfrage der Außenhandelskammer (AHK) unter 1.500 im Ausland ansässigen Unternehmen weiterhin das attraktivste Zielland deutscher Investoren, gefolgt von Tschechien und Estland.


Als nachteilig erweisen sich weiterhin die Infrastrukturen der Oststaaten, das Niveau der Berufsbildung und Unterschiede in den Steuersystemen sowie das als schwierig geltende wirtschaftspolitische Umfeld, in dem Korruption, fehlende Berechenbarkeit und Bürokratie vorherrschen.

 

Investitionspotenziale in Osteuropa.jpg

 

Tschechien


Tschechien stellt den zweitstärksten Markt nach Polen dar, 88 % der befragten Unternehmen würden sich wieder für die Tschechische Republik als Investitionsstandort entscheiden. Durch die enge Bindung zum Nachbarland Deutschland profitiert die Wirtschaft aktuell von dessen Stärke – der IWF hat für die Jahre 2014 und 2015 ein Wachstum von 1,9 bis 2,0 % prognostiziert.

 

Die Automobilbranche verzeichnete im 1. Quartal 2014 sogar Zuwachsraten von 19 %, Pharmaindustrie sowie Kunststoffproduzenten liegen mit 10 % aufgrund der wachsenden Binnennachfrage ebenfalls über dem Durchschnitt. Programme der Regierung zur Wohnraumsanierung und Steigerung der Energieeffizienz beflügelten zuletzt auch die Baubranche.


Die Telekom baute in diesem Jahr ihre Marktposition in Tschechien durch den Kauf von Anteilen an T-Mobile Czech Republic im Wert von 800 Millionen Euro aus. Wenngleich das keinerlei Auswirkungen auf den Konzernumsatz hat, so ist dies dennoch ein Indikator für die Attraktivität des osteuropäischen Marktes.


Polen


Mit 40 Millionen Einwohnern ist Polen das bevölkerungsstärkste Land in MOE (Mittel- und Osteuropa). Die Umsatzerwartungen der dort ansässigen Investoren sind laut AHK-Umfrage für die kommenden Jahre positiv, lediglich 4 % der Unternehmer rechnen mit Einbußen.


Switzerland Global Enterprise sieht in Polen vor allem Investitionspotenzial im Ausbau der Infrastrukturen. Sowohl die Sanierung und der Ausbau des Schienennetzes, mit 22.000 km das längste Zentral- und Osteuropas, als auch regionale Modernisierungsmaßnahmen sind in den kommenden Jahren anstehende Projekte.


Zudem bestehen mittel- und langfristig gute Investitionschancen im Bereich der Chemie- und Energiebranche; auch die Baubranche schien sich zuletzt von der Krise des vergangenen Jahres erholt zu haben.

 

Bulgarien


Chancen im bulgarischen Markt sieht Alexander Katzarow, Geschäftsführer von ÖHMI Bulgaria OOD, vor allem in den Wachstumsmärkten Informations- und Kommunikationstechnologie, Umwelt- und Bautechnik. Als ehemals führender Hersteller von Elektrotechnik in Osteuropa gilt das Land auch heute noch als günstiger Produktionsstandort, wohingegen der Maschinenbau stark von Russland und der Ukraine abhängig ist und aktuell in einer Krise steckt.

 

Das durch die EU finanzierte Projekt Sofia Tech bietet beispielsweise IT-Start-ups einen Standort, Interesse haben Softwareunternehmen wie Haemimont Games und EMC. Die deutsche Firma ZMDI plant, ihre Aktivitäten der Forschung und Entwicklung (FuE) in Bulgarien anzusiedeln und auch die chinesische Firma Huawei will das Land als FuE-Zentrum nutzen.


Seit dem EU-Beitritt haben vielfältige Fördermaßnahmen die Infrastruktur des Landes verbessert, die Löhne sind auf einem attraktiven Investitionsniveau. Doch ist Vorsicht geboten, nachdem aktuell Unternehmen wie Telekom Austria und der Energiekonzern EVN aufgrund der Bankenkrise dreistellige Millionenbeträge abschreiben mussten.


Rumänien


In Rumänien ist vor allem die Automobilbranche führend. Dacia (Renault), Ford und Mercedes sowie der Reifenhersteller Continental profitieren hier von Monatslöhnen um die 550 Euro. Mit einer Produktionssteigerung um 21 % im Jahr 2013 wies Rumänien zuletzt die weltweit größte Zuwachsrate im Bereich der Automobilproduktion auf.
Durch die wachsende Nachfrage nach Maschinen und Anlagen sowie Impulse aus dem Bergbausektor wächst auch die Maschinenbaubranche.

 

Zudem ist der Nachholbedarf im Abfallmanagement, Recycling und der Wasserversorgung groß, um nach dem EU-Beitritt die Bevölkerung bis 2017 flächendeckend damit zu versorgen. Für dieses Ziel sind neue Deponien ebenso notwendig wie der Bau von Kläranlagen und die Modernisierung des Trink-und Abwassersystems.


Rumänische Arbeitskräfte sind auch außerhalb des Landes gefragt. Die Fachkräftebörse Tjobs vermittelt dementsprechend Arbeiter aus Osteuropa ins Ausland. Jüngst investierten der Berliner Investor Earlybird Venture Capital und das ungarische VC iEurope Capital einen siebenstelligen Betrag in diese Plattform, die eine europaweite Expansion anstrebt. Der Fokus liegt dabei auf Deutschland, das nach Großbritannien und Griechenland als drittwichtigster Vermittlungsmarkt gilt. Arbeiter sind vor allem in der Pflege, Landwirtschaft sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe gewünscht, die Vermittlung erfolgt über ein Netzwerk aus Personaldienstleistern und Partneragenturen.

 

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Ungarn


Sowohl VW als auch die Tochter Audi bauen ihre Produktionsstätten weiterhin massiv aus. Audi Hungaria stellt mit über 10.000 Beschäftigten und einer Produktion von zuletzt zwei Millionen Motoren für den VW-Konzern sowie der Komplettproduktion des Audi A3 den weltweit größten Motorenproduzenten. Auch General Motors plant massive Expansionen seiner Motorenwerke in Ungarn. Mercedes stellt Fahrzeuge vorzugsweise im Produktionsverbund her, wobei eine schrittweise Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer erfolgt.


Serbien, Mazedonien und Albanien


Trotz der bislang wirtschaftlich geringen Attraktivität für deutsche Unternehmer besteht auch hier Potenzial – mit Stundenlöhnen um einen Euro sind die Löhne in Europa nirgends niedriger als in Serbien und Albanien. Impulse auf dem Markt bieten außerdem Beteiligungschancen an Ausbau- und Erneuerungsvorhaben im Bereich des Energiesektors sowie der Umwelttechnik. Gleiches gilt für den Bereich der Wasserversorgung und Abfallbeseitigung.


Investitionspotenzial


In allen MOE-Staaten bedarf es eines Ausbaus der Infrastrukturen im Transportwesen sowie im Bereich Müll, Wasser und Abwasser. Dementsprechend risikoarm ist es, in Unternehmen zu investieren, die in diesen Branchen tätig sind. Das produzierende Gewerbe ist mittelfristig weniger attraktiv, da sich die Löhne innerhalb der EU weiter angleichen und Arbeit in den MOE-Ländern teurer wird, die Gewinnspannen sinken. Negativ auf Investitionen wirken sich das wirtschaftspolitische Umfeld, die fehlende Berechenbarkeit und Bürokratie aus.

 

Welche Firmen sind in Osteuropa tätig?


Dazu hier ausgewählte Schlagzeilen:

 

 

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Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:

 

  • Das Wirtschaftswachstum von Mittel- und Osteuropa (MOE) liegt weiterhin über dem Westeuropas.
  • Niedrige Arbeitskosten vor Ort, die hohe Produktivität sowie Qualität und die Verfügbarkeit lokaler Lieferanten begünstigen die Standortwahl westeuropäischer Unternehmen.
  • Polen, Tschechien und Estland sind die attraktivsten Zielländer.
  • Der Ausbau der Infrastrukturen hat langfristig die größten Gewinnaussichten.