Klar Schiff machen: So regeln Sie Ihr digitales Erbe in wenigen Schritten.
Das digitale Erbe: eine Erscheinung der letzten Jahrzehnte
Erinnern Sie sich noch an die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts? Flanellhemden-Grunge, Girlie-Mode, Eurodance und Boygroups. Eine bunte Welt, doch eines fehlte noch weitestgehend: die intensive Nutzung des Internets!
- Laut Statistischem Bundesamt verfügten im Jahr 1998 lediglich 8,1 % der deutschen privaten Haushalte über einen Internetanschluss.
- Im Jahr 2013 sind es laut der Statistiker hingegen bereits 80,2 %.
Technischer Fortschritt und der hohe Ausstattungsgrad mit Internetanschlüssen führen sicherlich auch dazu, dass wir immer aktiver im Netz unterwegs sind. Können Sie sich noch erinnern, welche Portale, Foren, Netzwerke und Online-Shops Sie vor zehn Jahren genutzt oder wie viele E-Mail-Accounts Sie bereits im Laufe der Jahre eröffnet haben? Das fällt schon schwer?
Wie wird es erst aussehen, wenn hinter Ihnen mehrere Jahrzehnte der Internetnutzung liegen? Und was passiert mit Ihren Accounts und hinterlegten Daten, wenn Sie gestorben sind? Zeit, sich über das eigene digitale Erbe Gedanken zu machen! Wie möchten Sie mit diesem Thema umgehen?
Was versteht man unter „digitalem Erbe“?
Zunächst müssen Sie erst einmal wissen, was alles unter den Begriff „Digitales Erbe“ fällt. Fassen wir den Begriff weit, fallen hierunter all Ihre elektronisch gespeicherten Daten – angefangen bei Ihren auf dem Rechner gespeicherten Schriftstücken bis hin zu den in der Cloud verwahrten Fotos oder im Webmail-Konto gespeicherten E-Mails. Problematisch sind dabei vor allem die Daten, die im Netz herumgeistern, da Ihre potenziellen Erben unmöglich erraten können, wo Sie überall Datenspuren hinterlassen haben. Alle Online-Accounts – egal, ob bei Ihrer Versicherung, bei sozialen Netzwerken, Foren oder sonstigem können relevant sein.
Drei Optionen – von „Do-it-yourself” bis hin zu „nach mir die Sintflut“
Rein theoretisch ließe sich das Thema „digitales Erbe“ in mindestens dreierlei Weise angehen. Welcher Typ sind Sie?
- Der Do-it-yourself-Typ: Dieser Typus des Internet-Users sieht Handlungsbedarf und kümmert sich zu Lebzeiten darum, sein digitales Erbe möglichst gering zu halten. Durch eine gute Vorbereitung erleichtert er es gleichzeitig seinen Erben, nach seinem Tod die doch nicht ganz vermeidbaren Hinterlassenschaften im Netz zu managen.
- Der Service-ist-alles-Typ: Dieser Vertreter ist immer auf dem Laufenden und hat bereits erfahren, dass es Dienstleistungsunternehmen gibt, die sich dem digitalen Erbe Verstorbener widmen. Er lässt seine Hinterbliebenen wissen, dass ein solcher Service für ihn in Ordnung wäre, oder bucht bereits selbst eine entsprechende Dienstleistung. Dabei hofft er, den Aufwand für sich und seine Erben zu reduzieren.
- Der Nach-mir-die Sintflut-Typ: Dieser Internet-User sieht keinen Handlungsbedarf. Er denkt eher: „Nach meinem Tod ist es mir ohnehin egal, was mit meinen Daten passiert.“
Zählen Sie sich selbst zum „Service-ist-alles-Typ“, sollten Sie sich vor Augen führen, dass in diesem Bereich nicht alle Lösungen ideal sind. Dies gilt vor allem, wenn ein Unternehmen nach Ihrem Tod vollumfänglichen Zugang zu Ihren Daten erhält: Ob dabei alles so abläuft, wie Sie es sich wünschen und vorstellen, ist fraglich. Sogar vor Ihrem Tod besteht bereits zumindest theoretisch Missbrauchsgefahr, wenn Sie schon zu Lebzeiten alle notwendigen Zugangsdaten zur Verfügung stellen, damit das jeweilige Unternehmen nach Ihrem Tod schnell handeln kann.
Auch der „Nach-mir-die-Sintflut-Typ“ nimmt einige Risiken in Kauf. Zu diesen gehören die Folgenden:
- Hoher Aufwand für die Hinterbliebenen: Wer sich nicht mit seinem digitalen Erbe befasst, macht seinen Hinterbliebenen das Leben unnötig schwer. Denn diese müssen sich zum Beispiel auch um Verträge kümmern können, die nur online dokumentiert sind.
- Emotionale Belastung der Hinterbliebenen: Zusätzlich emotional belastend kann es für Hinterbliebene sein, wenn sie durch Accounts, auf die sie keinen Zugriff haben, immer wieder in unangebrachter Art und Weise an den Verstorbenen erinnert werden. Besonders in sozialen Netzwerken ist für viele Angehörige ein Account im Trauermodus ertragbarer, als einer, der so aussieht, als sei nichts geschehen. Letzterer stünde im ungünstigen Fall eventuell auch für unbedarfte Fragen von Bekannten offen, die vom Tod der jeweiligen Person noch nichts wissen. Und ein ahnungsloses „Wie geht´s, wie steht´s denn?“ macht sich schließlich schlecht als öffentlich einsehbare Nachricht an einen Toten. Welche Optionen es bei den bekanntesten sozialen Netzwerken gibt, Accounts nach dem Tode des Nutzers zu löschen bzw. in einen Trauermodus zu versetzen, erfahren Sie auf den Internetseiten der Verbraucherzentrale NRW.
- Verringertes Erbe: Wissen Hinterbliebene vielleicht nichts von Online-Guthaben, können sie nicht auf eine Auszahlung desselben drängen. Auch ideelles Erbe kann verloren gehen: Denken Sie zum Beispiel an Familien-Fotos, die nur in der Cloud gespeichert sind, von der die Hinterbliebenen allerdings keine Kenntnis haben. Diesen Familienschatz nicht zu bergen, wäre ein großer Verlust.
Das sind genug Gründe, um in Sachen digitales Erbe doch noch zum „Do-it-yourself-Typ“ zu werden? Dann erfahren Sie im Folgenden, wie Sie schon zu Lebzeiten Ordnung in Ihr digitales Erbe bringen können.
In vier Schritten zum geregelten digitalen Erbe
- Aufräumen im Netz: Einfach, aber einleuchtend: Je weniger Daten von Ihnen im Netz herumschwirren und je weniger Accounts, Verträge und Co. aktiv sind, desto weniger Arbeit kommt auf Ihre Erben zu. Prüfen Sie also am besten auch in jungen Jahren schon regelmäßig, welche Accounts, Profile, Verträge etc. Sie noch benötigen und welche verzichtbar geworden sind. Nehmen Sie eine Abmeldung, Löschung bzw. Kündigung wenn möglich immer zeitnah selbst in die Hand – für Sie ist dies sehr viel einfacher als für Ihre Erben!
- Dokumentieren: Damit Sie selbst einen Überblick über Ihre Daten behalten, empfiehlt es sich zu notieren, welche Dienste und Verträge Sie im Netz nutzen. So können Sie die in Punkt 1 beschriebene Prüfung in Eigenregie einfacher durchführen. Zugleich erledigen Sie hiermit aber auch eine wichtige Vorarbeit für Schritt 3.
- Zugriff gestattet: Eine einfache Auflistung der von Ihnen genutzten Online-Accounts, Online-Verträge, Online-Profile usw. hilft Ihren Erben nur bedingt weiter. Besser ist es, Sie geben Ihren Hinterbliebenen auch gleich die erforderlichen Zugangsdaten und ggf. weitere notwendige Informationen an die Hand. So können Sie auch regeln, was im Detail mit welchen Daten nach Ihrem Tod passieren soll. Die Frage ist nur: Wie lässt sich die Übergabe der Zugangsdaten und Ihres letzten Willens für den Umgang mit dem digitalen Erbe sicher bewerkstelligen? Bedenken Sie, dass sich Ihre digitalen Daten laufend ändern, Sie auch Passwörter sehr häufig erneuern sollten und Unbefugte keinen Zugang zu den Informationen haben dürfen. Flexibel bleiben Sie in dieser Hinsicht zum Beispiel, wenn Sie einen Safe nutzen, in dem Sie alle notwendigen Informationen hinterlegen und auf den Sie ohne großen Aufwand zugreifen können.
- Wem schenken Sie Vertrauen? Die bisherigen Schritte zur Regelung Ihres digitalen Erbes nutzen wenig, wenn Sie keine vertrauenswürdige Person bestimmen, die sich später einmal darum kümmern soll. Gehen Sie bei der Wahl einer solchen Vertrauensperson aber mit Umsicht vor. Das Hinterlassen der notwendigen Informationen nach dem Tod ist im Zweifelsfall der Übergabe zu Lebzeiten vorzuziehen: Damit ist zumindest gewährleistet, dass die von Ihnen bestimmte Person zu Ihren Lebzeiten kein Schindluder mit Ihren Daten treibt – zum Beispiel, wenn Sie sich später plötzlich mit ihr überwerfen. Immer sollten Sie im Vorfeld mit Ihrer Vertrauensperson über Ihr digitales Erbe sprechen, sicher sein, dass diese in der Lage ist, die Aufgabe zu übernehmen, und ihr mitteilen, auf welchem Wege sie die notwendigen Daten nach Ihrem Tod einsehen kann.
Sie haben erkannt, dass das Thema „digitales Erbe“ tatsächlich Relevanz besitzt, und sorgen daher bereits selbst gut vor? Dennoch kann Ihnen das Thema noch einmal begegnen. Nämlich dann, wenn eine Person aus Ihrem Umfeld verstirbt, die keine ausreichenden Vorkehrungen geschaffen hat.
Welche Rechte Sie als Erbe besitzen, der sich um ein digitales Erbe kümmern muss, und Antworten auf viele weitere Fragen finden Sie zum Beispiel in dem informativen Online-Artikel „Digitalen Nachlass regeln“ der BITKOM sowie im Portal www.surfer-haben-rechte.de des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen auf den Themenseiten „Digitaler Nachlass“.
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Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
- Sich bereits zu Lebzeiten um das eigene digitale Erbe zu kümmern, ist die beste Option. Wer dies unterlässt, riskiert Nachteile für seine Hinterbliebenen.
- Es gibt Unternehmen, welche sich gegen Bezahlung um das digitale Erbe Verstorbener kümmern. Die Nutzung solcher Services ist bisweilen aber mit einigen Unwägbarkeiten verbunden.
- In einigen wenigen Schritten können Internet-User im Do-it-yourself-Verfahren einen großen Beitrag dazu leisten, ihr digitales Erbe zu regeln. Wichtig ist dabei auch die bedachte Auswahl einer Vertrauensperson, die sich später um alle Angelegenheiten kümmern soll.
- Übersichtlich wird das digitale Erbe vor allem dann, wenn Internet-User schon zu Lebzeiten regelmäßig im Netz aufräumen, soll heißen: Nicht mehr benötigte Accounts, Verträge und Co. sind am besten zeitnah zu löschen bzw. zu kündigen.
__________________________________________________________________ Haben Sie sich bereits Gedanken für Ihr "Digitales Erbe" gemacht? Wie gehen Sie damit um? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare!