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Deutsche Automobilindustrie – Neuanfang oder Untergang?

25.08.2020 11:00

Die Autoindustrie war bis vor ein paar Jahren die deutsche Vorzeigebranche und Wachstumsmotor der hiesigen Wirtschaft. Diese Zeiten sind vorbei, die Autoriesen kämpfen ums Überleben.

 

Wie groß die Not mittlerweile ist, verdeutlicht die Diskussion um die Neuwagenprämie. Zwar existiert für alle Elektroautos und Plug-in-Hybride, die nach dem 4. November 2019 zugelassen wurden, bereits ein Förderprogramm. In dessen Rahmen erhalten Neuwagenkäufer eine Prämie von 6.000 beziehungsweise 4.500 Euro. Im Juni 2020 wurde im Zuge der Mehrwertsteuer-Senkung die Entscheidung getroffen, Verbrennermotoren vorerst nicht zu fördern.  

 

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Historischer Einbruch

Im April 2020 ging die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland um 61 Prozent zurück. In China, das auf dem Weg der Normalisierung nach COVID-19 weit vorangekommen ist, erholen sich die Wirtschaft und damit auch die Nachfrage nach Autos wieder – im Jahresverlauf liegt der Absatz in diesem Jahr dort jedoch bei -18%. Der VDA meldet im August 2020, dass sich der Markt nach dem beispiellosen Einbruch der Zahlen im ersten Quartal langsam wieder stabilisiert. Dennoch liegt der Markt in Westeuropa derzeit mit -35% im Vergleich zum Vorjahr stark im Minus.

 

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Aus der Politik, und zwar längst nicht nur aus dem linken beziehungsweise grünen Lager, kommen Forderungen, den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach der Corona-Pandemie umweltverträglich und nachhaltig zu gestalten. Dies schließt selbstverständlich die Förderung von Autos mit konventionellem Verbrennungsantrieb aufgrund ihres hohen CO2-Ausstoßes aus. Doch die deutschen Automobilhersteller produzieren noch immer vor allem Diesel und Benziner; die Umstellung auf die Herstellung massentauglicher (= erschwinglicher) E-Autos bereitet ihnen aus verschiedenen Gründen große Schwierigkeiten. Dabei tut Eile not: Die EU schreibt vor, dass ab dem Januar 2021 Neufahrzeuge maximal im Durchschnitt 95 Gramm CO2 je gefahrenem Kilometer ausstoßen dürfen. Dieser Wert ist von den Autoherstellern flottenbezogen einzuhalten. Insbesondere die Hersteller von Oberklasse- und Premiummodellen mit Verbrennungsmotoren, sprich BMW und Daimler, werden diese Vorgaben kaum einhalten können.

Und die Konkurrenz schläft nicht. Tesla treibt den Bau seiner Gigafactory Berlin-Brandenburg in Grünheide voran: Der Produktionsstart ist bereits für 2021 geplant. Dann sollen in Phase 1 10.000 Exemplare des Modells Y vom Band rollen, pro Woche! Während VW und andere deutsche Hersteller mit den Kinderkrankheiten ihrer E-Autos kämpfen, überzeugt Tesla mit seinen ausgereiften Modellen immer mehr Experten. So erteilte selbst der ADAC, der kaum im Verdacht steht, ausländische Autohersteller oder E-Autos zu bevorzugen, Ende 2019 dem Tesla Modell 3 gute Noten. Im Vergleicht zu Tesla hinken die deutschen Automobilhersteller weit hinterher, was die Software angeht – und die wird im Auto der Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Die Abhängigkeit der großen Automobilkonzerne von Zuliefern stellt eine weitere Hürde dar: Unternehmen wie Bosch reagieren mit dem Aufbau eines eigenen Softwarehauses.

 

Quo vadis deutsche Autoindustrie?

Experten wie Ferdinand Dudenhöfer sehen die deutsche Autobranche vor einem umfassenden Strukturwandel. Zur Umstellung auf vernetzte und digitalisierte Fahrzeuge mit umweltfreundlichem Antrieb existiert keine Alternative. Doch selbst unter der Annahme, dass VW, BMW und Daimler diese grundlegende Transformation bei starkem Wettbewerb durch Autobauer aus Fernost und den USA gelingt, bringt sie erhebliche Verluste an Arbeitsplätzen. Nach Ansicht von Dudenhöfer büßt allein die direkte Autoindustrie (ohne Zulieferer) 100.000 Jobs ein. Er beziffert in einem Interview die Überkapazitäten der deutschen Hersteller auf insgesamt 1,3 Millionen Fahrzeuge oder ein Viertel der gegenwärtigen Produktionsmenge. Gerade die Ballungsräume der deutschen Innenstädte lassen das Ziel des eigenen Autos für Viele in den Hintergrund rücken: immer schwieriger wird die Parkplatzsuche, immer mehr Parkplätze sind reguliert und damit nur eingeschränkt nutzbar. Gleichzeitig stiegen während Corona viele Menschen wieder auf ihren PKW um: die Ansteckungsgefahr in den öffentlichen Verkehrsmitteln war vielen Menschen zu hoch, was zu drastischen Rückgängen in der Zahl der beförderten Personen führte. Es bleibt offen, wie sich die Zahlen „nach der Krise“ auf beiden Seiten entwickeln werden. In einem weiteren Interview gibt sich der renommierte Automobilexperte Dudenhöfer auch in Bezug auf die deutschen Auto-Aktien eher pessimistisch und betont, dass in den nächsten Jahren weder Gewinnsteigerungen noch hohe Dividenden von diesen Werten zu erwarten sind. Dieser Ausblick ist ernüchternd und zeigt, auf welch fatale Weise die Corona-Pandemie die Strukturkrise der deutschen Autoindustrie verschärft.

 

Dennoch sollte niemand die deutschen Autoriesen frühzeitig abschreiben: Bislang sind sie immer wieder auf die Beine gekommen. Dies gilt zum Beispiel für Daimler nach dem Elch-Test-Desaster und der gescheiterten Fusion mit Chrysler. Allerdings ist gegenwärtig vollkommen offen, wie VW nach dem Schadenersatzurteil des BGH von Ende Mai die Dieselkrise bewältigen wird.

 

Fazit:

  • Der Wechsel des Produktionsprogramms auf umweltfreundliche Autos kommt bei den deutschen Autoherstellern bislang nicht schnell genug voran.
  • Weltweit führt Corona zu einem starken Rückgang der Autonachfrage. Die in Deutschland diskutierte Prämie für den Kauf von Neuwagen ist umstritten.
  • Nach Experteneinschätzungen bestehen hohe Überkapazitäten in der deutschen Automobilindustrie. Aus diesem Grund könnten rund 100.000 Arbeitsplätze wegfallen.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Autobauer? Wir interessieren uns sehr für Ihre Einschätzung.

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