China ist in den vergangenen zwei Dekaden zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und zu einer geopolitischen Supermacht aufgestiegen. Für viele Anleger waren chinesische Aktien „out“. Doch seit letzter Woche scheint sich das Blatt zu wenden. Die von der Regierung angekündigten Konjunkturmaßnahmen beflügeln die chinesischen Börsen. Wo liegen die Chancen und wo die Risiken?
- - Chinas Wirtschaftswachstum hat sich deutlich verlangsamt und die Volksrepublik steht vor zahlreichen Herausforderungen.
- - Chinesische Aktien sind im Vergleich zu US-Titeln günstig bewertet.
- - Interessierte Anleger können mit ETFs in den breiten chinesischen Markt investieren oder mit Sektor-ETFs auf einzelne Branchen setzen.
China war einer der ganz großen Gewinner der Globalisierung. Wo in den 1980ern arme Fischerdörfer standen, ragen heute moderne Wolkenkratzer von Millionenstädten in den Himmel. Hunderte Millionen Chinesen wurden aus der Armut geholt und stiegen in die Mittelschicht auf. Einige der größten und erfolgreichsten Konzerne der Welt kommen aus dem Reich der Mitte. Die Entwicklung von Chinas Wirtschaftswachstum war mehr als beeindruckend.
Doch die goldenen Zeiten der chinesischen Volkswirtschaft, getragen durch einen boomenden Exportsektor, gigantische staatliche Investitionsprogramme und ausländische Investitionen, sind vorbei. Wuchs Chinas BIP (Bruttoinlandsprodukt) zwischen 1990 bis 2009 um rund +10 % pro Jahr, so prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) für die laufende Dekade bis 2030 nur noch ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 3,80 % für die chinesische Wirtschaft1 .
Die Probleme der chinesischen Wirtschaft
Das Turbowachstum nach der Jahrtausendwende überdeckte viele strukturelle Probleme in China, die in den vergangenen Jahren mit dem niedrigeren chinesischen Wirtschaftswachstum immer stärker zutage treten: So leidet Chinas Wirtschaft aktuell unter einer großen Immobilienkrise und faulen Milliardenkrediten im Bankwesen inklusive eines gewaltigen Schattenbank-Sektors2.
Die Deglobalisierung bremst die für Chinas Wirtschaft zentralen Zweige des Outsourcingsektors und der Exportwirtschaft. Die Wachstumsstory um den Konsum der neuen Mittelschicht läuft, kann aber die sinkenden Wachstumsraten in anderen Wirtschaftszweigen nicht wie erhofft vollständig kompensieren. Infolge der Probleme im Exportsektor, der Outsourcing-Wirtschaft und in der Baubranche – alles Arbeitskräfte-intensive Wirtschaftszweige – kämpft China derzeit mit einer hohen Arbeitslosigkeit3.
Das Hauptproblem ist jedoch die enge Verknüpfung der chinesischen Wirtschaft mit der Politik. Die politischen Eliten in Beijing hatten nie Interesse an grundlegenden politischen, sozialen oder marktwirtschaftlichen Reformen und Freiheiten, die die Macht der Kommunistischen Partei und Eliten gefährden könnten.
Chinas Wirtschaft eng mit politischen Interessen verwoben
China ist auf der politischen Ebene ein kommunistisches und inzwischen autokratisches Land, das sich in Bezug auf Reformprozesse unter der Präsidentschaft von Xi sogar rückwärts entwickelt hat. Chinas Wirtschaft ist heute eine Marktwirtschaft mit starken staatlichen Eingriffen und Kontrollen.
Auf der geopolitischen Ebene erhebt China Anspruch auf einen globalen Supermacht-Status. Die Konfrontation mit den USA und dem Westen ist ein Schlüsselpunkt der chinesische Außen- und auch Wirtschaftspolitik. Auf der weltwirtschaftlichen Ebene tobt bereits seit Jahren ein Wirtschaftskrieg mit Sanktionen und Strafzöllen zwischen China und den USA/Europa.
Die Beispiele reichen von der die Krise um den chinesischen Telekomausrüster Huawei über den Kampf um Markteintritte der chinesischen E-Autobauer im Westen bis zum Chip-Embargo im Zusammengang mit den geopolitischen Spannungen rund um den Taiwan-Konflikt.
Die Chancen: günstige Bewertungen und großes Comeback-Potenzial der Wirtschaft
Doch Risiken erschaffen immer auch Chancen. Gemäß der Börsenweisheit von Warren Buffett: „Kaufe, wenn alle anderen verkaufen.“ Nach einer verlorenen Dekade an den chinesischen Aktienmärkten sind chinesische Aktien heute sehr attraktiv bewertet. Selbst wachstumsstarke Technologiekonzerne werden teilweise mit einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnissen gehandelt.
Laut Morningstar sind chinesische Aktien im Vergleich zu ihrem fairen Wert rund 30 % unterbewertet. Wem die US-Aktien zu teuer sind, findet also in China wesentlich günstiger bewertete Unternehmen, die in bestimmten Wirtschaftszweigen, wie z.B. dem Internet, die gleiche Qualität wie amerikanische, japanische oder europäische Konzerne haben4.
Aktuell sehen wir eine Erholung der Wirtschaft der Volksrepublik China nach der ultra-restriktiven Covid-Politik, der schweren inländischen Immobilienkrise und der internationalen Deglobalisierung. Beijing hat die finanziellen Mittel, um die chinesische Volkswirtschaft mit riesigen Stimulationsprogrammen zu beleben.
Trotz des niedrigeren Wirtschaftswachstums darf man nicht vergessen, dass China, nach Indien, das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde ist und Unternehmen noch immer gewaltige Umsatzpotenziale bieten. Die Vergangenheit hat gezeigt: Wenn Beijing solche Förderprogramme startet, wird geklotzt und nicht gekleckert.
Zudem zeigte sich zuletzt im Bereich der E-Mobilität, dass viele chinesische Firmen im wichtigen Technologiesektor international absolut konkurrenzfähig sind: Chinesische E-Autos laufen Tesla in China bereits den Rang ab. Gleiche Entwicklungen sahen wir im Smartphonemarkt oder im Internetsektor, wo einige der größten Internetkonzerne der Welt aus China kommen.
Wie Anleger in China investieren können
Für ausländische Investoren sind die gängigen Wege für Investments in chinesische Aktien einerseits die an der Börse Hongkong gehandelten H-Aktien und andererseits ADRs auf die großen chinesischen Werte, die an den US-Börsen gehandelt werden. Wichtig: ADRs sind keine Aktien. Es sind Derivate auf ausländische Aktien, die nicht an der US-Börse gelistet ist. ADRs werden aber gehandelt wie Aktien.
Zudem gibt es in China an den chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzhen die A-Aktien, die primär für chinesische Bürger zugänglich sind. Um das Risiko zu reduzieren, sind ETFs, Zertifikate oder Fonds auf chinesische Aktien geeignet. Hier einige ETFs für verschiedene Gattungen der chinesischen Aktien:
Was China für Anleger besonders spannend macht: Aufgrund der hohen Anzahl an gelisteten Blue-Chip-Unternehmen ist der chinesische Kapitalmarkt aktuell der einzige Emerging Market, an dem ausländische Anleger mit ETFs oder Fonds in einzelne Sektoren der chinesischen Wirtschaft investieren können. Wer gezielt in chinesische Technologieunternehmen oder den Umweltsektor investieren will, kann so eine Strategie mit Sektoren-ETFs und Fonds in China umsetzen. Hier einige der bekanntesten Sektoren-ETFs für verschiedene Branchen der chinesischen Wirtschaft:
Nicht nur für China, auch bei anderen Emerging Markets kann eine Anlage in ETFs sinnvoll sein. In unserer Wertpapiersuche können Sie z. B. nach Regionen filtern und so interessante ETFs finden.
Interessieren Sie sich für andere Emerging Markets? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen. Gerne berichten wir in einem unserer nächsten Blogbeiträge darüber.