Das Börsenjahr 2024 wurde erneut von wenigen großen amerikanischen Technologiekonzernen geprägt. Wer nicht in den S&P500 oder die Nasdaq investiert war, konnte daher nur unterdurchschnittlich von der Kursentwicklung profitieren. Der Börsenausblick für 2025 zeigt jedoch, dass sich eine breitere Streuung wieder lohnen könnte.
Die Markteinschätzung der Investment-Profis
Für einen umfassenden Ausblick auf das Aktienjahr, fasst Stephan Kemper die wichtigsten Marktbeobachtungen für uns zusammen.
Stephan Kemper leitet ein Team von hochmotivierten Investment-Profis und ist Teil des Teams, das für die Entwicklung der globalen Anlagestrategie und der strategischen Asset-Allokation für die Wealth Management- und Privat Banking-Einheiten von BNP Paribas weltweit zuständig ist.
2024 war Veränderung vs. Beständigkeit – Politische Umbrüche und die Glorreichen 7
Wer das Börsenjahr 2024 verschlafen hat und erst jetzt auf die Kursentwicklung der großen Indices schaut, könnte meinen, dass er fast nichts verpasst hat. Die großen US Indices S&P500 und Nasdaq haben bei der Kursentwicklung die restlichen Anlageregionen erneut hinter sich gelassen. Wie im Jahr 2023 waren die sogenannten „Glorreichen 7“ die wesentlichen Treiber dieser Entwicklung.
Auch japanische Aktien zeigten, getrieben durch eine weitere Normalisierung der Geldpolitik und wachsender Reformbereitschaft der Unternehmen, im Jahr 2024 eine solide Performance. Aktien in Europa hingegen hatten gegenüber ihren amerikanischen Pendants erneut das Nachsehen. Angesichts der politischen Turbulenzen und der wirtschaftlichen Probleme keine wirkliche Überraschung. Eine Diagnose, die auf den DAX nicht zutrifft.
Der deutsche Leitindex konnte per 09.12.2024 relativ stark zulegen, der höchste Kursgewinn unter den großen europäischen Indices. Eine lahmende Wirtschaft, schwächelnde Absatzmärkte in Asien und der Bruch der Regierungskoalition sind üblicherweise nicht die Zutaten, aus denen neue Allzeithochs entstehen. Der DAX konnte jedoch von seinen eigenen Glorreichen 7 – allen voran SAP - profitieren, welche für den Löwenanteil des Kursanstieges verantwortlich waren. Allerdings dürften die Aussichten für viele Indexmitglieder weiter eher trüb bleiben.
Politisch war 2024 ein Superwahljahr und das Jahr der Umbrüche. In über 70 Ländern war in etwa die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen und das Votum war eindeutig. Jede einzelne politische Partei, die in den letzten zwölf Monaten zur Wiederwahl stand, hat mit teils katastrophalem Ausmaß Stimmenanteile verloren. Einige Länder sind nach rechts geschwenkt (wie die Vereinigten Staaten), andere nach links (wie Großbritannien und Südkorea) und einige in beide Richtungen gleichzeitig (Frankreich). Aber überall haben die Amtsinhaber Stimmanteile – und nicht selten auch die Wahlen – verloren. Für die Märkte von besonderer Bedeutung dürfte dabei der Ausgang der Wahlen in den USA sein. Denn die Wiederwahl von Donald Trump wird das Börsenjahr wie kein anderes Wahlergebnis prägen.
Wirtschaftspolitischer Unsicherheitsindex Europa / USA
Aktienmarktprognose erwartet Chancen für US-Aktien aus der zweiten Reihe
Wir bleiben auch für das Jahr 2025 optimistisch, was das Potential von Aktien angeht. Stabiles Wachstum auf globaler Ebene, eine weiter rückläufige Inflation sowie anhaltende Leitzinssenkungen der Zentralbanken sollten ein in Summe freundliches Umfeld am Aktienmarkt schaffen. Die US-Wirtschaft dürfte von einem unternehmensfreundlicheren Umfeld, der fiskalpolitischen Lockerung und Deregulierung profitieren.
Während die Unsicherheit über Zölle ansteigen könnte, nimmt der Optimismus unter Unternehmen insgesamt zu. Sie erwarten zunehmend, dass sich das Geschäftsklima verbessert und die Investitionen wieder steigen. Auf der anderen Seite gibt es weniger Rückenwind durch sinkende Inflation. Zudem wurde bei Aktien, insbesondere in den USA, bereits ein besseres makroökonomisches Umfeld eingepreist. Das zeigen auch die gestiegenen Positionierungs- und Stimmungsindikatoren.
Da die Bewertungen, zumindest für bestimmte Teile des US-Marktes, ein hohes Niveau erreicht haben, dürften die erzielbaren Renditen für die wichtigsten Indizes in Zukunft niedriger sein, als es zuletzt der Fall war. Die Rallye der letzten ~ 13 Monate wurde durch ein solides Wachstum der Unternehmensgewinne unterstützt. Dennoch basiert rund die Hälfte der globalen Aktienrenditen im Jahr 2024 auf einem Anstieg der Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis). Wir denken, dass dies zumindest teilweise durch einen wachsenden Optimismus in Bezug auf eine niedrigere Inflation und eine Fortsetzung des Zinssenkungszyklus erklärt werden kann. Da die Bewertungen in vielen Märkten ein faires bis teures Niveau erreicht hat, dürfte das Gewinnwachstum im Jahr 2025 zum Haupttreiber für die Kurse der großen Indizes werden.
Aktuelle Aktienbewertungen im Vergleich zu Ihrem 20-Jahres-Durchschnitt
Da wir in das dritte Jahr dieses Bullenmarktes eintreten, sollte man sich vor Augen halten, dass ein typischer Bullenmarkt in der Regel ~ 6 Jahre dauert, das dritte Jahr jedoch meist das schwächste ist. Niedrigere Kursgewinne auf Indexebene bedeuten jedoch nicht automatisch auch eine schlechte Aktienperformance. In einer Welt, in der 7 Aktien immer noch mehr als ein Drittel des Index ausmachen, sind bescheidenere Indexrenditen eher auf eine relative Underperformance der ehemaligen Spitzenreiter zurückzuführen.
Daher bleiben US-Aktien für uns die erste Wahl, allerdings fokussieren wir uns nun verstärkt auf Unternehmen aus der zweiten Reihe des Aktienmarkts. Angesichts der weniger anspruchsvollen Bewertungen, eines günstigeren makroökonomischen Umfeldes und verbesserter Gewinnaussichten sehen wir in diesen Werten das attraktivste Kurspotential.
Aktien in Europa: Zölle stellen neue Herausforderungen
Die Stimmung mit Blick auf Europa ist schlecht, sowohl direkt als auch im Vergleich zu den USA, denn es gibt eine Sache, an der es in der Region nicht mangelt: Probleme. Sei es der Stress bei französischen Assets oder die Entwicklung der deutschen Wirtschaftsdynamik, es gibt keinen Mangel an Gründen, vorsichtig zu sein.
Investoren mögen sich daher fragen, warum die Region überhaupt in Betracht gezogen werden sollte. Dies gilt umso mehr für einen Zeitpunkt, an dem die Androhungen von Zöllen zunehmen und die ersten entsprechenden Schlagzeilen auftauchen. Es stehen bis zu 7 % der Gewinne im MSCI Europe auf dem Spiel, wenn Donald Trumps Plan von Einfuhrzöllen in Höhe von 60 % für Güter aus China und 10 % für Güter aus allen anderen Ländern umgesetzt würde. Daher scheint mit Blick auf Positionierungsdaten selbst die rekordniedrige Bewertung nicht auszureichen, um Investitionen in Europäische Aktien zu rechtfertigen.
Europäische Aktienbewertungen (Euro Stoxx 600) im Vergleich zum US-Markt (S&P 500)
Wir halten das allerdings für kurzsichtig. Unser Basisszenario beinhaltet keine vollständige Umsetzung der geplanten Zölle. Wir sehen sie eher als Verhandlungstaktik mit aggressiven Ankündigungen, aber schrittweisen Umsetzungen. Dies mag zwar nicht ausreichen, um alle Probleme Europas zu lösen, bestärkt uns aber in unserer Ansicht, dass die Möglichkeit besteht, mit der richtigen Auswahl an Einzeltiteln den Markt zu schlagen. Europa verzeichnet aktuell bei der Streuung der Renditen seitens der Indexmitglieder die höchsten Stände seit 2009. Es wirkt, als ob der Markt zu erkennen scheint, dass nicht alle Unternehmen gleich sind.
Auch in Europa gibt es Unternehmen, die nachhaltig überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen und/oder von einem stärkeren US-Wachstum und der damit verbundenen Politik profitieren dürften. Und doch leiden sie unter dem "One-Fits-All-Ansatz", den Anleger bei der Bewertung europäischer Vermögenswerte anzuwenden scheinen. Auf diesem Wege sollte man vereinzelte Glanzpunkte in einer sonst tristen europäischen Aktienlandschaft finden können. Wir sehen daher für eine Prognose am Aktienmarkt 2025 große Chancen, in Europa Schnäppchen zu finden, die einen Mehrwert für ein Portfolio darstellen sollten.
Chinas Wirtschaft: Zwischen Hoffnungen und Herausforderungen
Nachdem sich das Wirtschaftswachstum in China auch in 2024 weiterhin eher schwach gezeigt hat, gab es im zweiten Halbjahr die Ankündigung größerer Konjunkturpakete durch die Regierung. Dies führte zu einer heftigen Rallye, infolgedessen die Indices in wenigen Tagen um bis zu 50% gestiegen sind. Im Nachgang kam es jedoch zu einer Konsolidierung, da einerseits die Ankündigungen wenig konkret formuliert waren, weitere konjunkturelle Hilfspakete ausblieben und gleichzeitig die Angst vor Zöllen anstieg. Wie geht es in 2025 weiter?
Der Markt scheint aktuell eher ein Szenario in Betracht zu ziehen, welches deutliche Zollanhebungen beinhaltet. Wie bereits diskutiert gehen wir nicht davon aus, dass die Ankündigungen aus dem US-Wahlkampf komplett umgesetzt werden. Wir denken, dass in einem ersten Schritt Zölle auf gewisse Produktgruppen und dort ebenfalls schrittweise eingeführt werden, bis es zu Zugeständnissen aus Peking kommt. Derartige Maßnahmen dürfte Peking mit weiteren Konjunkturpaketen beantworten. Darüber hinaus ist die Wirtschaft in China mittlerweile deutlich weniger abhängig vom US-Geschäft. Es gibt viele Unternehmen, welche bis zu 100% der Umsätze in China erzielen und somit von Zöllen nicht bzw. nur indirekt betroffen wären.
Die Bewertungen spiegeln den weiterhin defensiven Ansatz globaler Investoren wider. Wir glauben, dass diese bereits viele potenziell schlechte Nachrichten berücksichtigen. Insbesondere im Technologie-Bereich erzielen viele Firmen ein Gewinnwachstum, das deutlich über Niveau der großen US-Konzerne liegt, welches allerdings nur zu einem Bruchteil des US-Marktes bewertet wird. Daher sehen wir in diesem Bereich ebenso Potential, wie für Aktien, welche primär von der Erholung der Binnenkonjunktur profitieren sollten.
Fazit für die Börse 2025:
- Unser Börsenausblick für 2025 bleibt optimistisch, was das Potential von Aktien angeht. Stabiles Wachstum auf globaler Ebene, eine weiter rückläufige Inflation sowie anhaltende Leitzinssenkungen der Zentralbanken sollten ein in Summe freundliches Umfeld für Aktien darstellen
- US-Aktien bleiben in unserer Aktienmarktprognose für 2025 die erste Wahl. Allerdings fokussieren wir uns nun verstärkt auf Unternehmen aus der zweiten Reihe des Aktienmarkts. Angesichts der weniger anspruchsvollen Bewertungen, eines günstigeren makroökonomischen Umfeldes und verbesserter Gewinnaussichten sehen wir in diesen Werten das attraktivste Kurspotential.
- Auch in Europa gibt es Unternehmen, die nachhaltig überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen und/oder von einem stärkeren US-Wachstum und der damit verbundenen Politik profitieren dürften. Dies eröffnet Möglichkeiten für Schnäppchenjäger
Sie möchten mehr über die Börsen-Prognose 2025 an den globalen Märkten erfahren? Im Video beleuchtet Stephan Kemper neben den genannten Aspekten noch die Märkte in Indien und geht auf andere Anlageklassen wie Anleihen und Rohstoffe ein.