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Ausblick 2020 – Unsicherheit: ja! – Chancen entgehen lassen? Nein!

06.02.2020 14:57

Stefan Maly, Leiter der Anlagestrategie der Consorsbank, blickt auf das Börsenjahr 2019 zurück und gibt Prognosen und Tipps für das aktuelle Jahr. Erfahren Sie mehr über die "Wetterlage" an den Börsen 2020.

 

2019 rekordverdächtige Gewinne nach  historischen Verlusten im Dezember 2018

 

Vor dem Ausblick auf das neue Börsenjahr lohnt ein Rückblick auf 2019. Das Jahr war geprägt von neuen Allzeithochs unter anderem bei Dow Jones, S&P 500 und MDAX, aber auch von Rezessionsängsten, Handelsstreit, Brexit und einem erneuten Rückgang des Wirtschaftswachstums. Dies rief zusammen mit den niedrigen Inflationsraten die Zentralbanken auf den Plan, welche die Geldpolitik deutlich lockerten.

 

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Gemessen an der Wertentwicklung einzelner Märkte war 2019 ein fulminantes Börsenjahr. Jeweils in Euro gerechnet legte der US-Leitindex S&P 500 33,1% zu, der japanische Nikkei 225 stieg um 23,6% und DAX-Investoren durften sich über 25,5% Vermögenssteigerung freuen. Anlagen in Gold und Schwellenländeranleihen ließen den Depotwert um 20,8% respektive um 14,7% anwachsen. Keine der größeren Anlageklassen bescherte eine negative Wertentwicklung. Dies ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Ohne ein schwaches Börsenjahr 2018 wäre die Bilanz für 2019 nur halb so gut. Zur Erinnerung: nach einem guten Start bescherten das zweite und vor allem das vierte Quartal 2018 herbe Verluste. Den Tiefpunkt erreichten die Märkte um Weihnachten 2018 und fast direkt mit dem Jahreswechsel drehten auch die Börsen wieder nach oben. Rechnet man beide Jahre zusammen ist die Wertentwicklung weiterhin sehr gut, aber deutlich weniger rekordverdächtig. So notierte der DAX 30 Ende 2019 lediglich 2,6% höher als zum Jahresende 2017. Schwellenländeranleihen konnten ihren Wert um 14,7% steigern und der S&P 500 notierte 32,9% höher.

 

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Auffallend ist die Divergenz von Kursentwicklung und erwarteter Änderung der Gewinne für 2019. Die führenden Aktien in Deutschland, Großbritannien und Japan werden für das Gesamtjahr wahrscheinlich im Durchschnitt niedrigere Gewinne ausweisen als 2018. Dementsprechend hat sich die Bewertung der Unternehmen verteuert. Damit kommen wir schon zum Ausblick. Durchaus erfreulich ist, dass die Gewinne 2020, wie in der Grafik zu sehen, deutlich steigen sollen. Lediglich in Japan wird ein weiterer Gewinnrückgang erwartet.

 

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2020: Nerven bewahren und gezielt Chancen nutzen

 

Reicht das schon aus, um ein neues positives Aktienjahr auszurufen? Nein, das wäre zu früh. Betrachten wir zunächst die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum. Die meisten Prognosen zeigen, dass wir uns wahrscheinlich auch 2020 auf einem schmalen Grat zwischen Wachstum und Rezession bewegen werden. Damit sind wir schon am schwierigsten Punkt der Prognose für 2020 angelangt. Überwiegen die positiven Faktoren oder fallen wir in negatives Szenario? Klar auf der unterstützenden Seite werden voraussichtlich die Zentralbanken sein. Die 2019 erfolgte Kehrtwende der US-amerikanischen Fed und der EZB hin zu einer wieder expansiven Geldpolitik wird erst mit dem Jahreswechsel beginnen zu wirken, sodass der Effekt vor allem im ersten Halbjahr spürbar sein wird. Die Zentralbanken der Schwellenländer haben sogar noch größeren Spielraum, das Wachstum zu stimulieren. Nur ein überraschender Anstieg der Inflationsraten könnte diese Stütze für risikoreiche Anlagen gefährden. Bislang gibt es wenige Indikatoren, die dies erwarten ließen. Vor allem geopolitische Risiken, wie ein Ölpreisschock aufgrund des Nahostkonflikts, wären als Auslöser denkbar.

 

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Ein Kandidat für positive Überraschungen 2020 kann die Haushaltspolitik sein. Kaum ein Staat ist aktuell gezwungen auf die Schuldenbremse zu treten. Nicht nur in Deutschland wird eine Lockerung der Haushaltsdisziplin diskutiert. Die positiven Effekte daraus: steigende Ausgaben für staatlichen Konsum und Investitionen erhöhen das Wirtschaftswachstum, ebenso könnten Steuersenkungen positive Impulse schaffen.

 

Risiken beachten – überlegt reagieren

 

Auf der negativen Seite sind die bereits angesprochenen geopolitischen Risiken zu nennen. Hier ist der Nah-Ost-Konflikt zu nennen. Gemäß der Analyse vieler Beobachter hat US-Präsident Donald Trump kein Interesse an einem Krieg. Dies wurde mehrmals in den vergangenen Monaten deutlich, als die USA Konflikte eskalierten, aber dann doch vor der Ultima Ratio zurückschreckten. Dennoch kann der Konflikt in Wellen verlaufen, die immer wieder für Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgen könnten.

 

An zweiter Stelle sind die bestehenden Handelskonflikte zu nennen. Im Fokus der Wahrnehmung ist aktuell die Auseinandersetzung der USA mit China. Zwar stehen die Zeichen zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Ausblicks auf Entspannung, aber eine abschließende Lösung des Konflikts ist bei weitem nicht absehbar. Eine erneute Eskalation des Konflikts ist vor allem nach einer möglichen Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zu erwarten, oder im Falle eines Wahlsiegs eines demokratischen Präsidentschaftskandidaten, der dem linken Lager zuzuordnen ist. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte ist aus diesem Grund mit Unruhe an den Finanzmärkten zu rechnen. Daneben ist immer wieder eine Auseinandersetzung zwischen den USA und der EU möglich, hier stünden vor allem die Autozölle und die Handelsüberschüsse der EU im allgemeinen und Deutschlands im speziellen im Fokus. Aber auch innerhalb der EU stockt die wirtschaftliche Integration. Die Vollendung der Bankenunion kommt kaum voran. Zusätzlich erhöhen mehrere Mitgliedsstaaten sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse, dies sind insbesondere Qualitätsstandards, Herkunftsnachweise und Dokumentationspflichten. Oft werden solche Maßnahmen hinter dem Argument des Verbraucherschutzes versteckt. Der Effekt ist auch hier: die Kosten steigen und das Wirtschaftswachstum wird gebremst.

 

Bei der Betrachtung der Risiken darf auch das Thema Schulden nicht fehlen. Verschiedene Institutionen, darunter die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, beklagen die „Zombifizierung“ der Unternehmen als Folge der Niedrigzinspolitik. Ein Unternehmen gilt als so genannter Zombie, wenn es langfristig weniger erwirtschaftet, als es für Zinsen aufwenden muss. In diesen Fällen werden die Zinsen aus Reserven und neuen Krediten gezahlt. In einem Umfeld steigender Zinsen oder deutlich fallender Erträge, zum Beispiel ausgelöst durch eine Rezession, geraten diese Unternehmen häufig in Konkurs. Auch die Höhe der Staatsschulden insbesondere in den USA wird kritisch diskutiert. Obwohl das Haushaltsdefizit der USA zuletzt wieder gestiegen ist, liegt die Staatsverschuldung netto gerechnet bei 80% der Wirtschaftsleistung. Für Unternehmen wie für Staaten gilt, dass nicht nur das Schuldenniveau angestiegen ist, sondern auch die Erträge, um diese Schulden zu finanzieren. Eine abrupte Zinswende zeichnet sich nicht ab. Vor diesem Hintergrund sollte man sich nicht zu sehr verunsichern lassen. Einzelne Länder und Unternehmen die Schwierigkeiten mit ihren Schulden haben, bilden eher die Ausnahme. Die Schuldenthematik ist langfristig ein Risikofaktor für die Märkte. Allerdings sollte man sich, insbesondere in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld, nicht frühzeitig verunsichern lassen.

 

Chancen gezielt nutzen – ein verhalten optimistisches Szenario

 

In der Summe zeichnet sich ein tendenziell optimistisches Bild für das Anlagejahr 2020. Die Risiken sind regelmäßig in den Medien präsent und der Aufschwung dauert mittlerweile länger als die meisten früheren Zyklen. Dennoch sollte man sich nicht zu sehr von den negativen Faktoren bestimmen lassen. Die ersten Veröffentlichungen von Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass sich die Aktivität vor allem im verarbeitenden Gewerbe der USA wieder belebt. Damit stehen die Chancen gut, dass sich die Waage auf die positive Seite des Ausblicks neigt. In diesem Umfeld haben Aktien immer noch einen Vorteil gegenüber Anleihen. Goldman Sachs hat untersucht, ob man lieber frühzeitig aus dem Aktienmarkt aussteigen sollte, oder länger investiert bleiben sollte mit der Gefahr, erste Verluste im Abschwung mitzunehmen. Das Ergebnis ist klar: die verpassten Gewinne beim verfrühten Ausstieg sind deutlich höher als die vermiedenen Verluste. Auch wenn die Unsicherheit 2020 groß ist, sollte man sich demnach nicht zu früh von den Aktienmärkten verabschieden.

 

Den Frühindikatoren folgend, startet die Erholung bereits in den USA. Sofern sich der Handelskonflikt beruhigt und sich die Belebung des Wachstums auf Europa überträgt, hätten Aktien der Eurozone deutlich mehr Aufholpotential. Unter den entwickelten Volkswirtschaften wären US-Aktien und europäische Aktien die aussichtsreichsten. Unter den Schwellenländern sollte weiterhin Asien die besten Renditeaussichten haben. Allerdings müsste dazu nicht nur der Handelskonflikt zwischen USA und China ruhig verlaufen, sondern auch die Transformation des chinesischen Wirtschaftsmodells weiterhin ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen.

 

Im Anleihesegment bleibt die Auswahl weiterhin schwierig. Staatsanleihen verlieren zunehmend ihren Status als sicherer Hafen. Dies hat äußerst wenig mit der Verschuldungssituation zu tun. Aber bei deutlich negativen Renditen ist das Kurspotential auch in schwereren Krisen sehr begrenzt. Umgekehrt können die Renditen bei positiven Wirtschaftsdaten ansteigen. Ausgehend vom aktuellen Renditeniveau würde dies teilweise deutliche Kursverluste für Anleihebesitzer bedeuten. Dennoch sollte man nicht komplett auf Staatsanleihen als Portfoliostabilisator verzichten. Auch Pfandbriefe und ihre europäischen Pendants erfüllen diesen Zweck. Schutz vor extremeren Risiken kann ebenfalls Gold bieten, allerdings ist das Kursänderungsrisikos des Edelmetalls auch deutlich höher. In einem verhalten optimistischen Umfeld mit wenig Inflation und auskömmlichem Wirtschaftswachstum, kann man neben einem Ruhepol aus Staatsanleihen und Pfandbriefen bewusst risikoreichere Teile des Anleiheuniversums stellen. Die Herausforderung dabei ist, mit den aktuellen Gegebenheiten Anleihesegmente zu finden, die ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis aufweisen. In einem solchen Umfeld wäre dies weiterhin bei Anleihen aus den Schwellenländern der Fall. Bei genauer Auswahl der Einzeltitel können sich auch Chancen bei europäischen Anleihen mit geringer Bonität ergeben. Bei hoher Unsicherheit an den Finanzmärkten erscheint eine breite Streuung der Anlagen als sinnvoll. Neben dem bereits erwähnten Gold eignen sich auch Immobilienfonds, um das Portfolio breiter zu diversifizieren und etwas weniger anfällig für Schocks zu machen.

 

Exemplarische Fondsideen für dieses Szenario sind:

Baring German Growth (WKN: 940 132)

BNP Paribas Funds Climate Impact  (WKN: A0Y E8A)

Fidelity Funds - Emerging Market Total Return Debt Fund A-Acc-EUR (WKN: A14Y67)

Nordea 1 - European Covered Bond Fund (WKN: 986 135)

 

Jeder Aufschwung hat ein Ende – das pessimistische Szenario

 

Die meisten Prognosen messen einer Rezession in den USA nur eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit bei. Auch in den anderen Wirtschaftsregionen wird die Konjunkturampel eher auf grün gesehen. Allerdings sind die Wachstumsraten aktuell vergleichsweise gering, genauso wie der Puffer, der uns von einer Rezession trennt. Sollte entgegen unserer Erwartung die Wende wieder hin zu mehr wirtschaftlicher Aktivität nicht gelingen, müssten wir uns mit einem negativen Szenario auseinandersetzen. In einem deutlichen Abschwung kämen vor allem die Unternehmen unter Druck, die auf ständigen Geldzufluss angewiesen sind. Hier könnten junge Technologieunternehmen genauso betroffen sein, wie etablierte Unternehmen, die in den letzten Jahren die Verschuldung deutlich erhöht haben. Vor allem wenn sie dies nicht für Investitionen sondern zur Finanzierung von Aktienrückkäufen gemacht haben.

An den Finanzmärkten würde eine Abkühlung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einem Abfluss des Geldes aus risikoreichen Anlagen führen. Betroffen wären vor allem die Aktien und Anleihen der Schwellenländer, hochverzinste Anleihen von Unternehmen mit schwacher Bonität, Staatsanleihen hochverschuldeter Länder und auch die sogenannten Wachstumswerte unter den Aktien. Gefragt dürften dagegen Staatsanleihen der USA und paradoxer Weise auch Japans sein. Daneben können auch die Aktien von Unternehmen mit guter Finanzierungsstruktur und einer starken Wettbewerbsstellung mit moderater Bewertung, sogenannte Value-Aktien besser abschneiden als der breite Aktienmarkt. Immobilien sind in einem solchen Szenario zwar nicht vor Verlusten geschützt, allerdings zeigten frühere Abschwünge, dass sich die Gebäude deutlich wertstabiler halten als Aktien.

 

Exemplarische Fondsideen für dieses Szenario sind:

Uni-Global - Equities World (WKN: A0M 94E)

Robeco US Premium Equities (WKN: A0F 61P)

BGF Euro Bond (WKN: A1C 2P2)

Grundbesitz Europa (WKN: 980 700)

 

Die bereits erwähnte Studie von Goldman Sachs zeigt allerdings, dass man sich nicht zu früh den Kassandrarufen mancher Untergangspropheten anschließen sollte. In einigen Fällen könnte man vermuten, dass sie mehr Geld mit ihren Büchern als ihren Investmententscheidungen verdienen. Von daher gilt für 2020: Nerven bewahren und Anlageentscheidungen mit einem kühlen Kopf treffen.

 

Zu den Anlagetrends

 

Dieser Artikel ersetzt keine Beratung. Er dient lediglich der Information und stellt keine Kaufempfehlung dar. Die Blogredaktion übernimmt damit keine Gewähr und/oder Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte. Die Grafiken enthalten Angaben zu früheren Wertentwicklungen. Simulationen oder Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Die Pflichtangaben zu den Anlageempfehlungen und das dazu gehörige Archiv der Anlageempfehlungen der...

 

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