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Alter schützt vor Rendite nicht

19.04.2021 10:00

Serie „Vermögen aufbauen & erhalten“

 

Teil 4: Die Absicherung

 

Alter schützt vor Rendite nicht

 

Die gesetzliche Rente reicht nicht aus: Mit gut diversifizierten Geldanlagen steuern ältere Anleger gegen. Was es zu berücksichtigen gilt, weiß ein erfahrener Anlageberater.

 

Seit Jahren wächst die Zahl der Rentner kontinuierlich an. Nach Auswertung der Alterspyramide des Statistischen Bundesamts erreichen im Jahr 2033 rund 1.266.000 Bundesbürger das Rentenalter von 67 Jahren. Damit geht der stärkste Jahrgang (1966) unter dann allen Altersklassen in den Ruhestand. Gleichzeitig geht die Lebenserwartung weiter nach oben und die Menschen beziehen länger Altersgeld. Diese Entwicklung stellt das gesetzliche Alterssicherungssystem vor große finanzielle Herausforderungen, da auf immer mehr Rentner immer weniger Erwerbstätige kommen.

 

Daher scheint es für die Zukunft nicht ausgeschlossen, dass es bei den anstehenden Rentenanpassungen häufiger zu „Nullrunden“ kommt. Das Problem dabei: Die inflationsbedingte Teuerung dürfte langfristig weiter voranschreiten und Kaufkraft kosten. Anleger, die demnächst das Rentenalter erreichen oder bereits im Ruhestand sind, sollten sich daher überlegen, wie sie ihre Renten aufbessern und ihren Lebensstandard absichern können.

 

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Das Gute: Bei der Geldanlage ist Rendite keine Frage des Alters, sondern der Planung. Deshalb sollten neben ETFs und Fonds beispielsweise auch Aktien oder Offene Immobilienfonds für Anleger mit Lebenserfahrung kein Tabu darstellen. Sie können ebenfalls zu den Bausteinen einer soliden Altersvorsorge zählen. Welche vielfältigen Möglichkeiten Anleger bei der Diversifikation sowie der Gestaltung ihrer Geldanlage haben, um sich einen Zusatzrente zur gesetzlichen Absicherung zu sichern, erläutert der Anlagestratege Stefan Maly.

 

Wenn Anleger in Rente gehen oder kurz davor stehen, wie viel Risiko sollten sie bei ihrer Geldanlage noch eingehen?

Wie so häufig kommt es auf den Einzelfall an. Grundsätzlich gilt es aber, das Risiko zurückzufahren, weil die Zeit altersbedingt knapper wird, um mögliche Verlustphasen auszugleichen. Allerdings lässt sich aufgrund des Zinsverfalls der vergangenen Jahre mit den klassischen sicherheitsorientierten Geldanlagen kaum mehr Rendite erzielen. Wer auf solche setzt, büßt obendrein inflationsbedingt an Kaufkraft ein und erleidet einen realen Vermögensverlust. Soll das Vermögen also Rendite abwerfen, dann kommen Anleger auch im Alter nicht umhin, gewisse Risiken einzugehen.

 

Was heißt das konkret?

Wenn ein Anleger ausschließlich in Aktien investiert, dann sollte er einen Anlagehorizont zwischen zehn und 15 Jahren haben. In der Vergangenheit brauchte es diesen Zeitraum, um die entstandenen Verluste – ganz gleich, ob nun aus 9/11, der Finanz- oder der Euro-Krise – wieder aufzuholen und um eine positive Durchschnittsrendite zu erzielen. Gehen wir von einem heute 65-Jährigen aus, dann entspricht das durchaus der gängigen Lebenserwartung von um die 80 Jahre. Ist sich der Anleger ganz sicher, dass er den Teil seines Vermögens, das er investieren will, in dieser langen Spanne nicht braucht, dann kann er ein relativ hohes Risiko eingehen. Er muss aber vorher kalkulieren und Eventualitäten in Betracht ziehen. Bleibt genug übrig, wenn das Auto kaputtgeht? Sind genügend Mittel vorhanden, um das Haus bei Bedarf altersgerecht umzubauen? Das sind Dinge, die es mit zu berücksichtigen gilt.

 

Worin bestehen die Herausforderungen der Geldanlage im Alter?

Die größte Herausforderung besteht meiner Ansicht nach darin, das eigene Vermögen im Alter ab 65 Jahren bzw. ab dem Renteneintrittsalter in verschiedene Tranchen aufzuteilen. Nehmen wir als Bild drei Taschen. In die erste packe ich das Vermögen, welches ich in den nächsten fünf Jahre brauche. In die zweite kommt die Summe, die ich vermutlich in den fünf bis zehn Jahren danach benötige. Und in die dritte lege ich das Kapital, das ich die nächsten zehn bis 15 Jahre ganz sicher nicht brauche. Allerdings kommt eine andere Herausforderung auf die Anleger zu, und zwar unabhängig vom Alter.

 

Welche?

Neben dem zeitlichen Horizont müssen es Anleger mental aushalten können, dass eine Position im Depot auch mal mit 50 Prozent ins Minus rutscht. Das ist nicht immer einfach.

 

Was ist, wenn ein älterer Anleger das nicht aushalten will? Wie definieren Sie eine sichere Anlage?

Absolute Sicherheit definiere ich als einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren, in dem der Anleger keine Gefahr läuft, Kapital zu verlieren. Ganz ehrlich: Da wird es mittlerweile schon enorm schwierig, eine gute Alternative zum Tagesgeldkonto zu finden. Zwar ist eine deutsche Staatsanleihe der klassische Inbegriff von Sicherheit. Aber bei einer Restlaufzeit von zwei bis drei Jahren reden wir von einer negativen Rendite zwischen –0,5 und –0,7 Prozent pro Jahr. Klar gibt es auch Pfandbriefe als Baustein, allerdings sehen die Renditeerwartungen ähnlich aus.

 

Ein anderer möglicher Bestandteil einer sicheren Geldanlage sind Offene Immobilienfonds. Aber auch bei ihnen ist es nicht ganz einfach, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Diejenigen, die die Finanzkrise überlebt haben, haben den Anlegern keine Verluste beschert. Diejenigen, die wegen hoher Mittelabflüsse liquidiert wurden, sorgten für schmerzhafte Verluste.

 

Würden Sie von Offenen Immobilienfonds abraten?

Das lässt sich nicht per se sagen. Mit ihren regelmäßig produzierten Ausschüttungen können sie ein wichtiger Baustein bei der Portfolio-Diversifikation sein und die gesetzliche Rente sinnvoll ergänzen. Dennoch sind sie keine Papiere, bei denen Anleger davon ausgehen können, dass ihr Vermögen unter allen Umständen erhalten bleibt. Mit den Erfahrungen aus der Finanzkrise hat der Gesetzgeber die Offenen Immobilienfonds aber stark reguliert. Die Wahrscheinlichkeit von Liquidierungen, wie wir sie 2009 und 2010 gesehen haben, ist dadurch deutlich geringer geworden, auch wenn sie sich nicht völlig ausschließen lässt.

 

Was halten Sie von Renten-ETFs? Ein ETF, der in Staats- oder Unternehmensanleihen investiert?

Die Renditen waren bei diesen Produkten in den vergangenen Jahren fantastisch. Aufgrund des anhaltenden Zinsverfalls und der hohen Nachfrage nach diesen ETFs haben sie eine tolle Performance hingelegt. Aus demselben Grund rate ich aber zur Vorsicht. Ein aktueller Blick auf die laufende Rendite bei ETFs mit Staats- und Unternehmensanleihen mit bester Bonität genügt und Anleger stellen fest, dass viele gerade mal eine Rendite im 0,1 Prozent-Bereich haben – und das mit Glück. Gleichzeitig besteht ein enorm hohes Zinsänderungsrisiko. Sollte irgendwann die Inflationserwartung nach oben gehen und damit die Zinsen, drohen in der Folge hohe Verluste. So liegt die durchschnittliche Restlaufzeit beispielsweise bei Staatsanleihen mittlerweile bei über sieben Jahren. Entsprechend haben wir bei einem kurzfristigen Zinsanstieg von einem Prozentpunkt ein Verlustrisiko von über sieben Prozent. Und das ist für einen Renten-ETF ein zu großes Risiko bei gleichzeitig geringem Kurspotenzial. Dieses klassische Produkt schützt deshalb in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht vor Kapitalverlust.

 

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Generell werden die ETFs ja immer beliebter Was sollten die Anleger bei ihnen beachten?

Sie sollten auf jeden Fall auf eine breite Streuung setzen. Das bedeutet, sämtliche Regionen abzudecken. Aus diesem Grund ist es nicht ratsam, sein gesamtes Kapital in einen ETF auf den MSCI-World zu investieren, denn dieser Index enthält mittlerweile zu rund 70 Prozent US-Werte. Deswegen gehört daneben unbedingt auch ein Europa-ETF sowie ein Emerging-Markets-ETF ebenso ins Depot. Dieses breit gestreute Kernportfolio kann auch mit den nachhaltigen Varianten der Indizes erfolgen.

 

Wie schaut es mit weiteren themenbezogenen ETFs oder Fonds aus?

Sektor-ETFs und -Fonds sind lediglich als Beimischungen einzusetzen. Ihre Aufgabe ist es, für die Extra-Rendite im Depot sorgen. Generell sollten sie in einer auf Sicherheit ausgelegten Strategie aber nicht mehr als fünf Prozent ausmachen. Auch Anleger, die risikobereiter sind, sollten nicht mehr als 20 Prozent dieser spezialisierten Produkte beimischen. Als Themen bieten sich verschiedene Zukunftsbranchen wie zum Beispiel Healthcare an. Diese Unternehmen dürften im Zuge einer immer älter werdenden Gesellschaft vermehrt gefragt sein. Auch Bereiche wie Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und alternative Energien verfügen eindeutig über nachhaltiges Wachstumspotenzial. Es steht eine breite Auswahl zur Verfügung. Aber wie gesagt, sie sind das Sahnehäubchen und nicht der Hauptteil der Geldanlage.

 

Welche Möglichkeiten gibt es für Anleger, um mit einem ETF- oder Fonds-Sparplan die Rente aufzubessern?

Es gibt zwei Möglichkeiten: ein dividendenorientiertes Portfolio oder einen Auszahlplan. Bei der ersten Variante ist ein hoher Anteil in Dividendenfonds wie zum Beispiel Immobilienfonds, ausschüttungsoptimierte Rentenfonds und, je nach Risikoneigung und zeitlichem Anlagehorizont, Fonds auf Dividendenaktien investiert und die Anleger profitieren von den Dividendenzahlungen. Wer dagegen auf einen Auszahlplan setzt, geht an die Substanz. Dafür braucht es eine Rendite- und eine Sicherheitskomponente, eine Diversifizierung, wie wir sie bereits angesprochen haben. Beide sind nötig, damit eine regelmäßige Entnahme längerfristig funktioniert.

 

Und worin sehen Sie den Vorteil eines Auszahlplans im Gegensatz zu einer Rentenversicherung?

Eine klassische Rentenversicherung, die das Geld monatlich ausbezahlt, verzichtet auf die Chancen einer Aktienanlage. Dann sind wir mittendrin im aktuellen Rentenmarkt und seinen marginalen Renditen. Wenn dagegen das Kapital noch ein wenig arbeiten und die Chance auf eine höhere Rendite gewahrt bleiben soll, dann ist ein Auszahlplan vorzuziehen. Über einen Vorteil verfügt die Rentenversicherung dennoch: Das Risiko der Langlebigkeit trägt die Versicherung. Beim Auszahlplan kann es passieren, dass das Kapital verzehrt ist, wenn der Anleger ein hohes Alter erreicht hat. Auch deshalb sollte sich jeder ab einem Alter von 65 Jahren mindestens alle fünf Jahre mit seiner Geldanlage auseinandersetzen und sich fragen, was in den nächsten Jahren gebraucht wird. Dabei spielt der aktuelle Gesundheitszustand ebenso eine Rolle wie die geänderten Lebensumstände.

 

Das kann ganz schnell gehen.

Genau, und deshalb macht es im Alter Sinn, Vorsorgevollmachten zu erteilen. Ist der Anleger nicht mehr in der Lage, sein Vermögen zu verwalten, dann sollte er eine vertraute Person für den Fall der Fälle benannt haben, welche die Interessen wahrnimmt.

 

Welchen Ratschlag können Sie Anlegern noch geben und welche Fehler sollten sie vermeiden?

Sie sollten nie zu gierig und nie zu ängstlich sein. Die Balance zu halten, ist eine Kunst, die nicht nur ältere Anleger, sondern alle Altersgruppen beherrschen sollten. Was gefährlich sein kann, ist die ständige Suche nach dem heißesten Anlagetrend. Dem Mainstream zu folgen, bringt nicht immer Erfolg. Zudem sollten Anleger im Rentenalter ihr Vermögen auf unterschiedliche Anlageprodukte streuen und die Diversifikation des Portfolios regelmäßig überprüfen. Das halte ich für extrem wichtig. Mit 65 Jahren und älter lautet die goldene Formel nicht, ausschließlich auf Aktien zu setzen, um reich zu werden. Es ist ein Irrglaube, jetzt das Vermögen gewinnen zu können, das zuvor die letzten 30, 40 Jahre nicht aufgebaut wurde.

 

Angenommen, Anlegern bleiben noch zehn oder 15 Jahre bis zur Rente, welchen Anteil ihres frei verfügbaren Kapitals sollten sie in die Geldanlage investieren, um die spätere gesetzliche Rente zu pushen?

Das ist Geschmackssache und jeder muss sich mit seiner Geldanlage zunächst einmal wohlfühlen. Mit Mitte 50 ist aber noch genügend Zeit vorhanden, um ein höheres Risiko einzugehen. Voraussetzung sollte zunächst sein, dass der Anleger über drei Nettomonatsgehälter auf dem Konto verfügen kann, um unvorhergesehene Ausgaben tätigen zu können. Sind alle Kosten für die Lebenshaltung und laufende Kosten wie Miete oder die Rate fürs Auto abgedeckt, dann spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, den Rest – gern auch eine höhere Summe – für die Altersvorsorge anzulegen.

 

Die Artikel-Serie „Vermögen aufbauen & erhalten“ ist im Wirtschaftsmagazin FOCUS-MONEY erschienen in den Ausgaben 46/2020, 47/2020, 49/2020 und 50/2020.

 

Teil 1 – Der Einstieg: Rendite für die nächste Generation (erschien am 04.11.2020)

Teil 2 – Die Etablierung: Heute für später (vor)sorgen (erschien am 11.11.2020)

Teil 3 – Die Optimierung: Sinnvolle Zukunftsinvestments (erschien am 25.11.2020)

Teil 4 – Die Absicherung: Alter schützt vor Rendite nicht (erschien am 02.12.2020)