Aktienmärkte: Chance oder Rückschlagsgefahr für Anleger? Lesen Sie hier die Meinung unseres Experten Stefan Maly, stellvertr. Leiter der Anlagestrategie bei der Consorsbank.
Die Zukunft Griechenlands ist erneut reichlich ungewiss. Einige Kommentatoren sprechen bereits von einer Blase an den Aktienmärkten. Der DAX 30 lässt sich davon wenig beeindrucken und markierte am vergangenen Freitag (6. März) ein neues Allzeithoch. Ein Blick in die aktuellen Umfragen zur Anlegerstimmung zeigt: der Optimismus der Anleger ist ungebrochen, insbesondere die institutionellen Anleger trauen dem DAX 30 in den kommenden Monaten weitere Kursgewinne zu.
Ist der Optimismus gerechtfertigt?
Die jüngsten Kursanstiege führten dazu, dass die Bewertung der Aktienmärkte gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis über den historischen Durchschnitt hinaus gewachsen ist. Die Aktienmärkte sind 2014 mit einer deutlich stärkeren Dynamik gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Zur Rechtfertigung dieser Bewertungsniveaus wird aktuell die sehr lockere Geldpolitik der Zentralbanken herangezogen. Die niedrigen Zinsen begünstigen tatsächlich steigende Aktiennotierungen. Gleichzeitig werden risikoarme Geldanlagen, wie z.B. Sparbücher oder Tagesgelder immer unattraktiver. Wer mehr Rendite möchte muss auf risikoreichere Anlagen ausweichen. Damit stellt sich die Frage wo man die besten Prämien für das genommene Risiko erhält.
Auf der Suche nach zufreidenstellenden Renditen für das akzeptierte Risiko floss zunächst das Geld in die Märkte für Unternehmensanleihen. Allerdings können sich mittlerweile Unternehmen wie BMW, Nestle oder der französische Energieversorger EDF Geld leihen, ohne dafür Zinsen bezahlen zu müssen. Sprich die Anleger erhalten keine Prämie mehr für das eingegangene Risiko. Die Alternative könnte sein, sich Anleihen von schlechteren Schuldnern anzusehen. In der Tat gibt es dort immerhin eine kleine Prämie. Sie ist im historischen Vergleich aber als gering zu bezeichnen. Damit bleibt als dritte Alternative nur noch der Aktienmarkt.
Dort sind einige interessante Phänomene zu beobachten. Normalerweise ist die Rendite von europäischen Unternehmensanleihen höher als die Dividendenrendite der Aktien. Im Durchschnitt erhält man aktuell für europäische Unternehmensanleihen guter Bonität 0,4% Rendite pro Jahr. Die Dividendenrendite des Euro Stoxx 50 liegt bei 3,1%. Betrachtet man die komplette Risikoprämie, die Aktien aus der Eurozone bieten, so liegt sie bei 5,8%. Die Risikoprämie der Unternehmensanleihen liegt bei durchschnittlich 0,9%. Beide Vergleiche zeigen, dass man aktuell für das eingegangene Risiko am Aktienmarkt deutlich besser entlohnt wird. Daher sollte man sich nicht von der sehr guten Rendite der Unternehmensanleihen in den letzten Jahren täuschen lassen. Richtet man den Blick aus dem Rückspiegel wieder nach vorne, so dürften die Aktien die besseren Karten haben.
Unterstützt wird diese Aussage auch von einigen fundamentalen Beobachtungen. In Folge des deutlich gesunkenen Ölpreises und des schwachen Euros passen viele Wirtschaftsforschungsinstitute die Wachstumsprognose für Deutschland nach oben an. Im Oktober 2014 erwartete die Bundesregierung ein Wirtschaftswachstum von 1,3% für das Jahr 2015, mittlerweile liegt die Prognose bei 1,5%.
Aufholpotential haben auch die Unternehmen in der Eurozone. Vor Ausbruch der Finanzkrise waren sie ähnlich profitabel wie ihre Wettbewerber aus den USA. Die US-Unternehmen erholten sich sehr zügig von der Krise. Für jeden US-Dollar Umsatz erzielen sie 8,5 US-Cent Gewinn. Dagegen erwirtschaftet ein Unternehmen aus der Eurozone je Euro Umsatz lediglich 3,6 Cent Gewinn. Im Jahr 2007 waren es noch 8 Cent. Aufholpotential ist also vorhanden. Die zaghaften Strukturreformen helfen den Unternehmen zumindest ein wenig. Der weitaus größere Effekt kommt aus den billigeren Unternehmenskrediten, den gefallenen Energiepreisen und dem schwachen Euro. Die Chance steigt, dass die Bilanzen der Unternehmen aus der Eurozone in den kommenden Quartalen positiv überraschen werden. Immer mehr institutionelle Investoren, unter anderem Versicherungen, Pensionskassen und Vermögensverwalter, erhöhen den Portfolioanteil europäischer Aktien.
Das prominenteste Beispiel der letzten Wochen war Warren Buffet, der den deutschen Händler für Motorradbedarf Detlev Louis kaufte. Gleichzeitig erklärte er, dass er weitere Investments in Europa tätigen möchte. Warren Buffet ist dafür bekannt, dass er nach unterbewerteten Unternehmen sucht und teure, hochriskante Übernahmen scheut.
Fazit: Klar ist, dass die Aktienmärkte weltweit nicht mehr günstig sind. Ebenso steigt nach einem so deutlichen Kursanstieg die Rückschlagsgefahr. Immerhin legte der DAX 30 seit Jahresanfang um 24,5% zu und der Euro Stoxx 50 um 15% (Stand: 6. März). Ähnlich wie im August 2014 betrachten wir eine Korrektur als Einstiegschance. Sowohl die relative Attraktivität der Aktien im Vergleich zu den Anlagealternativen als auch die positiven Triebkräfte für die Unternehmensgewinne sprechen für die europäischen Aktien. Dies nehmen die internationalen Anleger wieder verstärkt zur Kenntnis und schichten ihre Portfolios zu Gunsten der Aktien aus der Eurozone um.